Bremer Früchenskandal: Viele Hygiene-Mängel am Klinikum

Offen liegende Absaugkatheter, Teppichboden auf der Station und Pflegekräfte, die Schmuck tragen: Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu hygienischen Missständen am Klinikum Bremen Mitte deckt zahlreiche Infektionsquellen auf.

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Die Neonatale Intensivpflege des Klinikums Bremen Mitte war wegen des Todes dreier Frühchen in der Kritik.

Die Neonatale Intensivpflege des Klinikums Bremen Mitte war wegen des Todes dreier Frühchen in der Kritik.

© Ingo Wagner / dpa

Von Christian Beneker

BREMEN. Lang ist die Liste der Hygienemängel, die das Deutsche Beratungsinstitut für Hygiene aufgelistet hat. Derzeit wird der Bremer Hygieneskandal am Klinikum Bremen Mitte, der drei Frühchen das Leben gekostet hat, in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Auch die Experten des Beratungsinstitutes wurden gehört.

Auf Bitten der Klinik-Holding Gesundheit Nord (Geno), zu der das KBM gehört, haben Experten des Freiburger Institutes auf der Frühchen-Intensivstation des KBM die Hygiene geprüft.

Die Ergebnisse laut "Weser-Kurier", dem der 67 Seiten starke Bericht vorliegt: ein wegen zu hoher Keimzahl unbenutzter Wasseranschluss, offen liegende Absaugkatheter am Notfallwagen, rissige Arbeitsflächen oder alte Lappen und Schwämme in der Elternküche.

Gleichwohl bewertete Dr. Sebastian Schulz-Stübner vom Beratungszentrum für Hygiene die Zustände auf der Station gemessen an den RKI-Empfehlungen vor dem Ausschuss als "größtenteils positiv". "Von einem desolaten Zustand kann man nicht sprechen", sagte Schulz-Stübner "Radio Bremen". Das Hygiene-Institut wird die Geno weiter beraten, auch beim anstehenden Teilneubau des Klinikums Mitte.

Vier Frühchen pro Pflegerin seien zu viel

Klaus Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene aus Berlin kritisierte vor dem Ausschuss unter anderem, dass bis ins vergangene Jahr hinein auf der Station zum Teil Teppichboden lag und die Schwestern Uhren, Armketten und Ringe bei der Arbeit trugen.

Eine wirksame Desinfizierung sei damit unmöglich, so Zastrow. Der Zehn-Punkte-Hygiene-Plan, den die Geno Ende vergangenen Jahres nach der Begehung durch das Hygieneinstitut aufgestellt hat, um die Situation zu verbessern, sehe lediglich vor, was ohnehin selbstverständlich sei, meint Zastrow.

Auch der Personalschlüssel auf der Frühchenstation wurde vor dem Ausschuss diskutiert. Vier Frühchen pro Pflegerin seien zu viel, so Zastrow. Darüber hinaus kritisierte er, dass ein Hygienefacharzt fehlt. Im KBM wurde diese Funktion von einem Biologen ausgeübt.

Infektionen zu spät gemeldet

Unklare Meldewege und schlampige Dokumentation bemängelte Justiz-Staatsrat Matthias Stauch (SPD) bereits in seinem Bericht von Ende 2011. Die Infektionen seien viel zu spät gemeldet und die Laborbefunde mangelhaft dokumentiert worden, so Stauch erneut vor dem Ausschuss.

Schließlich habe der Überblick gefehlt. Das Klinikum habe das Gesundheitsamt zudem um einen Monat zu spät über den Keimausbruch informiert und das Amt seinerseits hat die Informationen erst mit sechswöchiger Verspätung an die Gesundheitsbehörde weitergeleitet, so Stauch.

Seit April 2011 sind drei Frühchen der Bremer Intensivstation an dem Keim Klebsiella pneumoniae gestorben. Laut Robert Koch-Institut kamen 25 Kinder mit dem Keim in Berührung.

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