Kapitalanlage

Brüssel tüncht Atomkraft grün – Konsequenzen für Anleger

Die EU-Kommission erlaubt nachhaltigen Fonds, in Aktien von Betreibern und Zulieferern von Kernkraftwerken zu investieren. Anleger, die in solchen Fonds investiert sind, diese Technologie jedoch ablehnen, müssen nun prüfen, welche Unternehmen zum Portfolio ihres Investmentvehikels gehören.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Die EU hat Atomkraft und Erdgas als nachhaltig eingestuft. Anleger, die Wert legen auf Nachhaltigkeit, sollten Investments genau prüfen.

Die EU hat Atomkraft und Erdgas als nachhaltig eingestuft. Anleger, die Wert legen auf Nachhaltigkeit, sollten Investments genau prüfen.

© JüNick / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Die Entscheidung sei „vielleicht nicht perfekt“, biete aber „eine echte Lösung“, sagt Mairead McGuinnes, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen.

Die EU-Kommission hat jüngst beschlossen, Kern- und Gaskraftwerke als klimafreundlich einzustufen. Atomenergie und Gas seien zwar „an sich nicht grün, sie ermöglichen aber den Übergang zu erneuerbaren Energien“, sagt McGuinnes.

Die Entscheidung in Brüssel hat Konsequenzen für Anleger, die in Nachhaltigkeitsfonds investiert sind – in Aktienfonds, die auf Papiere von Unternehmen setzen, die bei ihrer Geschäftstätigkeit Umwelt und Klima schützen und ihre Beschäftigten fair bezahlen.

Bislang hatten solche Fonds Aktien der Betreiber von Kern- und Gaskraftwerken sowie deren Zulieferer größtenteils ausgeschlossen. Mit ihrem Beschluss hat die EU-Kommission nun für deren Manager den Weg freigemacht, auch in diese Werte zu investieren.

Vertrauen ist gut, prüfen ist besser

Die Vorgaben aus Brüssel „für die Bewertung grüner Unternehmen müssen nicht unbedingt den eigenen Idealen der Anleger entsprechen“, sagt Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement in der Breisgaustadt. „Denn bei den EU-Kriterien stehen die Klimaschutzziele im Vordergrund.“

Da Kern- und Gaskraftwerke weniger CO2-Emissionen freisetzen als Kohlekraftwerke habe die Kommission entschieden, beide Technologien als nachhaltig einzustufen. Damit kommt sie Deutschland und Frankreich entgegen: Frankreich gewinnt 71 Prozent seines Stroms aus Kernkraftwerken und will weitere errichten. In Deutschland wird jede zweite Wohnung mit Erdgas beheizt und zusätzlich knapp neun Prozent des Stroms durch die Verbrennung des fossilen Energieträgers erzeugt.

Viele Anleger lehnen die Nutzung der Kernenergie ab. Sie müssen nun prüfen, ob die von ihnen genutzten Fonds auf Investments in Aktien von Unternehmen aus dieser Branche verzichten. „Anleger können sich nicht blind auf vom Fondsmanagement verwendete Begriffe wie ‚nachhaltig‘, ‚sustainable‘, ‚CO2-neutral‘ oder ‚carbon neutral‘ verlassen“, sagt Walter.

Die Vorgaben aus Brüssel für die Bewertung grüner Unternehmen müssen nicht unbedingt den eigenen Idealen der Anleger entsprechen.

Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement

Vielmehr müssten sie genau kontrollieren, in Aktien welcher Konzerne ein Nachhaltigkeitsfonds investiert. Bei Unternehmen, die ihnen nicht bekannt sind, sollten Anleger prüfen, womit diese ihre Geschäfte machen. Möglich ist dies durch einen Blick auf die Internetseite der jeweiligen Unternehmen. Auch auf Finanzportalen wird der Geschäftszweck fast jeder börsennotierten Firma beschrieben.

Einige Fonds dürften nun in Aktien von Kernenergieerzeugern und deren Zulieferern investieren. „Mehr als 50 Atomkraftwerke sind derzeit weltweit im Bau“, sagt Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Investmentberatungsgesellschaft Z-Invest in Köln. „Mit der Klima-Diskussion gewinnt die Neuentwicklung von Reaktoren nach Jahren des Stillstands wieder an Fahrt.“ Damit könnten für Nachhaltigkeitsfonds auch Aktien so unbekannter Unternehmen wie Cameco interessant werden.

Der kanadische Bergbaukonzern mit Sitz in Saskatoon ist einer der größten Uranproduzenten der Welt und betreibt eine eigene Raffinerie zur Anreicherung des Brennstoffs für Atomkraftwerke. „Der Börsenkurs der Gesellschaft ist in den vergangenen zwölf Monaten um knapp 30 Prozent gestiegen“, sagt Zimmer.

Mehr Schein als Sein?

Besonders aufpassen sollten Anleger, die in nachhaltige börsennotierte Indexfonds (ETF) investieren wollen, sagt Walter. ETF bilden passiv einen Index nach, deshalb fallen im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds kaum Verwaltungsgebühren und keine Ausgabeaufschläge an. Manche Nachhaltigkeits-ETF seien jedoch „nur grün getüncht“, sagt Zimmer.

Beispielhaft zeige dies ein Vergleich des MSCI World, dem Index, der die Kursentwicklung der 1600 größten Konzerne der Welt widerspiegelt. „In der nachhaltigen Variante des Index, dem MSCI World Socially Responsible, finden sich fast 1500 der 1600 Unternehmen wieder“, sagt Walter. „Es gibt aber auch Indexfonds, die tatsächlich nur nachhaltig agierende Unternehmen umfassen.“ Diese müssten Anleger herausfiltern.

Dazu zählen beispielsweise Indexfonds, die ausschließlich in Aktien von Unternehmen zur Wasserstoffproduktion setzen. „Bei der Verbrennung ist Wasserstoff klimaneutral“, sagt Stefan Wallrich, Vorstand des Vermögensverwalters Wallrich Asset Management in Frankfurt am Main. Interessant seien hier auch Einzelwerte wie PlugPower.

„Das Unternehmen arbeitet mit Airbus zusammen, um Brennstoffzellen für die Elektromobilität sowie Anlagen zur Wasserstoff-Speicherung und -Betankung zu entwickeln“, sagt Wallrich. „Airbus will bis 2035 emissionsfreie Flugzeuge auf den Markt bringen und so den Grundstein für eine Dekarbonisierung der Luftfahrt legen.“

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