Urteil

Bundessozialgericht erleichtert Mobilität für Rollifahrer

Für ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben müssen Rollstuhlfahrer die für übliche Alltagsgeschäfte relevanten Orte trotz eingeschränkter Bewegungsfähigkeit erreichen können, sagt das Bundessozialgericht.

Veröffentlicht:

Kassel. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen Rollstuhlfahrern an ihrem Wohnort mehr Mobilität ermöglichen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) urteilte, haben gehbeeinträchtigte Menschen als mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf Hilfsmittel, die ihnen nicht nur die Erledigung ihrer Alltagsgeschäfte im fußläufigen Bereich, sondern auch darüber hinaus ermöglichen.

Die Kasseler Richter änderten damit ihre bisherige Rechtsprechung und sprachen in ihrer Leitentscheidung dem Kläger die Versorgung mit einem motorunterstützten Handkurbelrollstuhlzuggerät zu.

Der querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer hatte bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit dem am Rollstuhl zu befestigenden Hilfsmittel zum Preis von rund 6.500 Euro beantragt. Er könne mit seinem Rollstuhl nicht mehr alleine Alltagsgeschäfte im Nahbereich seiner Wohnung erledigen. Er verwies auf eine Arthrose im Daumensattelgelenk infolge des ständigen Greifens am Rollstuhlreifen.

Kasse lehnt Zusatzgerät für Rollstuhl ab

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Sie sei nach der Rechtsprechung des BSG nur verpflichtet, die Mobilität im „fußläufigen“ Nahbereich der Wohnung zu ermöglichen. Mit dem Rollstuhlzuggerät könne der Kläger aber bis zu 25 Stundenkilometer und viel weiter fahren.

Das BSG sprach dem Kläger das Hilfsmittel zu und änderte damit seine bisherige Rechtsprechung. Um ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können, müsse der Rollstuhlfahrer „die für die üblichen Alltagsgeschäfte maßgeblichen Orte“ trotz der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit erreichen können. Dazu gehörten etwa das Einkaufen oder der Apothekenbesuch. Ob auch der Arztbesuch dazu zählt, ließ das BSG offen. Das Mobilitätsverhalten habe sich so verändert, dass nicht mehr alle wesentlichen Orte „fußläufig“ zu erreichen sind. Daher komme es für die Gewährung eines Hilfsmittels auf die örtlichen Gegebenheiten an. (fl)

Bundessozialgericht, Az. :B 3 KR 13/22 R und weitere

Mehr zum Thema

Landesarbeitsgericht Rostock

Urteil: Kündigung nach häufigen Kurzerkrankungen

Abrechnungsbetrug

AOK Hessen: Meiste Betrugsversuche bei Pflege

Sonderberichte zum Thema
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Corona-Pandemie

Lockdowns: Ein hoher Preis für den Nachwuchs

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Altersbedingter Hörverlust: Ursache ist eine Degeneration der Cochlea. Verstärkt wird der Prozess vermutlich durch Entzündungen und mikrovaskuläre Veränderungen.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

Niedrigdosierte Gabe

ASS hilft nicht gegen Hörverlust im Alter