Krankenhäuser

Der Mensch als Reformverhinderer

Die interne Organisation von Kliniken ist resistent gegen den Wandel im stationären Sektor, meint ein Krankenhausdirektor. Er fordert Veränderung in kleinen Schritten von innen heraus.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Schwarzes Loch: Wie lassen sich Reformen in Kliniken anstoßen.

Schwarzes Loch: Wie lassen sich Reformen in Kliniken anstoßen.

© Davorin Wagner / Chirurgie im Bild

BERLIN. Dringend gesucht: Neue Organisationsmodelle für Krankenhäuser. Jörg Gottschalk, Landesvorsitzender des Verbandes der Krankenhausdirektoren in Berlin und Brandenburg, forderte dies jüngst beim Berliner Krankenhaus-Seminar an der Technischen Universität Berlin. Das Krankenhaus der Zukunft brauche effiziente Prozesse und Führungsteams.

Die Kliniken stehen seit gut zehn Jahren unter einem enormen Veränderungsdruck: Es mangelt an Fachkräften, die medizinische Forschung liefert laufend neue Erkenntnisse, die Ausgaben steigen kontinuierlich. In Krisenjahren, so Gottschalk, lassen sich tiefgreifende Veränderungen nicht meistern.

Unrealistisch sei es, kurzfristig die Effizienz so zu steigern, dass die tatsächlichen Kosten gedeckt sind. Der Erhalt der Einrichtung ist dann zentral. "Die Leistungssteigerungen im Krankenhaus waren alternativlos", sagte der ehemalige Geschäftsführer des Martin-Luther-Krankenhauses in Berlin.

Ein Bereich zeige sich bislang resistent gegen den Wandel: "Die interne Organisation eines Krankenhauses ist die gleiche wie vor 20 Jahren", kritisierte Gottschalk. Die entscheidenden Schwächen: "Führung ist in Kliniken kaum zu installieren. Und sie liegt nie nur bei einer einzelnen Person."

Zum Beispiel die Chefärzte: Sie haben für Führungsaufgaben in der Regel keine Zeit und zudem kaum die alleinige Macht. Denn: Unterschiedlichste Professionen - von Therapie und Pflege bis hin zu Labor, Medizintechnik und Logistik - tragen ebenso zu einer gelungenen Behandlung des Patienten bei.

Das System Krankenhaus ist "eine Summe von 1000 kleinen Dingen, die zusammenwirken müssen". Ihre Organisation ist überaus komplex. "Suboptimale Prozesse" oder die "Überlastung von Mitarbeitern" wirken zwar, aber werden gar nicht wahrgenommen.

Zum Beispiel die Visite: Wenn sich Ärzte, Pflegekräfte, Medizincontroller und Sozialdienst um zehn Uhr treffen wollen, muss die Arbeitsorganisation jedes Einzelnen darauf ausgerichtet sein.

Mitarbeiter sollen Zeit gewinnen

Zum Beispiel das IT-System: Sind die Eingaben bei Routinetätigkeiten kompliziert, erfordert dies zusätzliches Eintippen und Klicks. Dies sei eine "Verschwendung" von Zeit und Energie.

Zum Beispiel Auslastung des OP: Um Wartezeiten zu vermeiden, muss der Gesamtprozess - Patientenaufnahme im Chefarztsekretariat, Dokumentation, Vorbereitung des Patienten, Aufnahmeprozess - abgestimmt sein. Denn, so Gottschalk, die meisten Probleme im OP entstehen nicht dort, sondern werden durch vorgelagerte Prozesse ausgelöst.

Zum Beispiel Diagnostik: Die nötigen Untersuchungen sind mit der Aufnahme eines Patienten festzulegen, damit sie geplant und zeitnah abgearbeitet werden können.

Gottschalk: "Dies setzt voraus, dass die Arbeitsorganisation der Ärzte stimmt und auch, dass es Standards in der Diagnostik und Planungssystematiken im Servicebereich gibt."

Die Kliniken der Zukunft müssen sich, so Gottschalk, von innen heraus verändern. Zum einen, weil immer mehr Frauen Medizin studieren und neue Arbeitszeitmodelle schlicht erwarten.

Zum anderen, weil die Kliniken auch an der Sicherstellung der Versorgung in den Regionen beteiligt sind. Und schließlich, weil jedes zweite Krankenhaus weniger als 300 Betten hat und nicht rentabel zu führen ist.

Sein Konzept für das "Krankenhaus 2.0" heißt "Entdichten": "Wir müssen die laufende Arbeit anders organisieren und Veränderungsprozesse in vielen kleinen Schritten auf den Weg bringen.

Das Wohl der Patienten, die Effizienz der Prozesse und die darüber gewonnene Zeit für die Mitarbeiter gehören dabei in den Mittelpunkt."

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