HINTERGRUND

Der neue Arztausweis ist da - aber leider nutzt ihn keiner

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Es ist fast tragisch: Spätestens seit 2005 sind die Voraussetzungen für sichere elektronische Kommunikation mit Kollegen gegeben - aber kaum einer nutzt sie. "2005 wurde der elektronische Arztausweis (HBA) fertiggestellt. Seither wurde er technisch kaum verändert", sagte der Telematikbeauftragte der Bundesärztekammer, Dr. Philipp Stachwitz, beim Kongress während der IT-Messe conhIT in Berlin.

Nicht nur das: Der Deutsche Ärztetag hat sich - anders als bei der elektronischen Gesundheitskarte - demonstrativ hinter den elektronischen Arztausweis gestellt. Und IT-Unternehmen wie die Praxis-EDV-Hersteller betonen immer wieder, dass sie ihre Lösungen mit dem Arztausweis kompatibel machen wollen. Aber geschehen ist bisher kaum etwas.

Ärzte in Vernetzungsprojekten ignorieren die neue Karte

Wie Stachwitz berichtete, sind bisher bundesweit nur etwa 1100 Arztausweise ausgegeben worden. Neben den sieben Testregionen der neuen Gesundheitskarte betrifft das in erster Linie einige Kliniken wie das Klinikum Löbau-Zittau in Sachsen, wo alle Ärzte eine solche Karte haben.

Die niedrige Zahl an sich wäre gar nicht so problematisch. Viel schwerer wiegt, dass die große Mehrheit der Ärzte in neuen Vernetzungsprojekten bisher konsequent den Arztausweis ignoriert - obwohl sie damit die Sicherheit der Online-Kommunikation deutlich erhöhen könnten.

Offenbar mangelt es nicht an guten Ideen

Doch das passiert nicht. Stattdessen warten alle auf die neue Gesundheitskarte, die in ihren fortgeschritteneren Entwicklungsstufen den HBA zwingend benötigt. In der Fläche werden diese Ausbaustufen aber noch Jahre auf sich warten lassen.

Dabei mangelt es nicht an guten Ideen, wie der neue Arztausweis jenseits der reinen Telematik noch eingesetzt werden könnte, um ihn für Ärzte attraktiver zu machen. Die apoBank mit ihren Tochterunternehmen Medisign und DGN beispielsweise hat mittlerweile einige Erfahrungen mit der Ausgabe von Chipkarten an Ärzte sammeln können.

So gibt es mehrere Projekte verschiedener privatärztlicher Verrechnungsstellen (PVS), die Chipkarten-Lösungen der Bank nutzen. Die Plattform PADdialog beispielsweise dient der elektronischen Privatabrechnung. "Dadurch werden die PVS von Verwaltungsaufgaben entlastet und können einen Teil der Einsparungen an die Ärzte über reduzierte Verwaltungsgebühren weitergeben", sagte Uwe Meyer-Vogelgesang, E-Health-Direktor der apoBank, bei der conhIT. Ebenfalls im PKV-Bereich sowie bei IGeL angesiedelt ist das chipkartenabhängige Portal TGP easy, das die Abrechnung für Teilgemeinschaftspraxen vereinfachen soll.

Die Zahnärzte sind auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung schon weiter. In der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe rechnen viele Zahnärzte per Chipkarte online ab. Das Projekt gilt als das bisher erfolgreichste seiner Art. Die Abrechnung läuft über das Online-Portal Zahnärzte Online Deutschland (ZOD). "Mittlerweile hat etwa die Hälfte der 5000 Zahnärzte in dieser Region Signaturkarten", berichtete Meyer-Vogelgesang. Dabei wird nach Auskunft der KZVWL der Satz für die KV-Gebühren für Online-Abrechner von 0,95 Prozent des Umsatzes pro Jahr auf 0,85 Prozent herabgesetzt, was sich je nach Umsatz zu mehreren hundert Euro addieren kann.

1100 Arztausweise sind bisher ausgegeben worden.

Das Problem an all diesen Projekten: Die Chipkarten sind zwar elektronische Signaturkarten, erfüllen aber (noch) nicht alle Anforderungen, die die Bundesärztekammer an den neuen Arztausweis stellt. Eine Medisign-Karte gemäß der aktuellen HBA-Spezifikation auszugeben komme derzeit nicht in Frage, weil das mit dem Gebührenmodell nicht vereinbar sei, so Uwe Meyer-Vogelgesang in Berlin. Im Klartext: Es ist zu teuer. Doch der Druck soll steigen.

Die KV Nordrhein hat jetzt bekannt gegeben, dass ab dem vierten Quartal 2008 die Online-Abrechnung mit neuer Arztkarte angeboten wird. Die bis zu 750 Euro Bonus, die es dafür gibt, reichen nicht nur locker für die Kartengebühren, sondern auch noch für ein neues Lesegerät und für die DSL-Flatrate.

Auch bisher gab es schon Prämien für Online-Abrechner: Die KVWL etwa zahlt "Umsteigern" einmalig 750 Euro, die KV Bayerns immerhin 300 Euro. Doch jetzt kommt erstmals der elektronische Arztausweis ins Spiel. Ob die KVNo zum Trendsetter wird?

STICHWORT

Elektronischer Arztausweis (HBA)

Der Heilberufeausweis (HBA) ist eine Chipkarte von der Größe einer EC-Karte. Er kann - weil mit Foto ausgestattet - von Ärzten auch als Sichtausweis verwendet werden. Der Chip ermöglicht eine digitale Signatur, die der Unterschrift per Hand rechtlich gleichgestellt ist. Der HBA kann außerdem Arztbriefe oder andere Dokumente verschlüsseln. Für den HBA fallen jährliche Gebühren an. In den Testregionen für die eGK liegen sie bei 30 bis 50 Euro pro Jahr - ein Drittel niedriger als früher erwartet.

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