Fontane-Studie zu Herzinsuffizienz

Deutlich weniger Klinikeinweisungen durch Telemedizin

Die Charité hat Ergebnisse zur telemedizinischen Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten vorgestellt. Neben 30 Prozent weniger Klinikeinweisungen zeigten sich weitere positive Effekte. Die Barmer hat daher bereits einen Versorgungsvertrag mit der Charité und niedergelassenen Ärzten abgeschlossen.

Von Helmut Laschet Veröffentlicht:
Auf diesen Bildschirmen laufen rund um die Uhr die Daten der Patienten ein.

Auf diesen Bildschirmen laufen rund um die Uhr die Daten der Patienten ein.

© Helmut Laschet

Berlin. Durch den Einsatz telemedizinischer Methoden bei der Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz kann die Mortalität relativ um 20 Prozent und absolut um drei Prozent sowie die Hospitalisierungsrate um 30 Prozent gesenkt werden. Ferner können mit Hilfe der Telemedizin Versorgungsdefizite in ländlichen und strukturschwachen Regionen im Vergleich zu Metropolen mit über 500.000 Einwohnern ausbalanciert, möglicherweise sogar überkompensiert werden.

1500 Patienten haben teilgenommen

Dies sind Ergebnisse der Fontane-Studie, die am Donnerstag an der Charité vorgestellt wurden. An der von 2013 bis 2018 vom Zentrum für Kardiovaskuläre Telemedizin der Charité unter der Leitung von Professor Friedrich Köhler durchgeführten Studie haben bundesweit mehr als 1500 Patienten mit Herzinsuffizienz teilgenommen. Die randomisierte klinische Studie wurde mit 10,2 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Die teilnehmenden Patienten mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren – der älteste Patient war 92 Jahre alt – wurden mit leicht bedienbaren Messgeräten wie EKG, Waage und Blutdruckmessgerät ausgestattet und übermittelten ihre relevanten Vitalparameter täglich an das Zentrum für Kardiovaskuläre Telemedizin der Charité. Dieses ist an sieben Tagen rund um die Uhr mit mindestens einem Arzt und einer Krankenschwester besetzt.

Eine algorithmengestützte Auswertung der Daten erlaubt nach bereits 60 Sekunden eine Aussage über die Risikosituation des Patienten und die Notwendigkeit von Interventionen: Rückruf und Beratung des Patienten, Information des nächstgelegenen Hausarztes/Facharztes in der Peripherie bis hin zum Einsatz eines Rettungshubschraubers im lebensbedrohlichen Notfall. Die kontinuierliche Analyse der Patientendaten, so Köhler, erlaube eine zuverlässige Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, ob der Gesundheitszustand des Patienten in den folgenden 24 Stunden stabil bleibe.

Ein Modell für die Regelversorgung

Mit dem Abschluss der Studie und einer einjährigen Nachbeobachtungszeit sei nun ein kritischer Wendepunkt erreicht, nach dem das Modell in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden müsse, so Staatssekretär Thomas Rachel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Im März 2019 hat der Gemeinsame Bundesausschuss das Beratungsverfahren für eine Richtlinie über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen, eine endgültige Entscheidung wird für das Frühjahr 2021 erwartet.

Barmer hat bereits Versorgungsvertrag abgeschlossen

Für Versicherte der Barmer wird die Leistung schon früher zugänglich. Sie hat einen Versorgungsvertrag mit der Charité und mit niedergelassenen Ärzten zum Einsatz dieses telemedizinischen Projekts für Patienten mit Herzinsuffizienz abgeschlossen.

Die Gesamtvergütung für die Leistungen des telemedizinischen Zentrums und die niedergelassenen Ärzte, so Barmer-Vorstandsmitglied Mani Rafii liegt pro Patient und Jahr bei 1400 Euro. Für die teilnehmenden Ärzte liegt die zusätzliche Vergütung auf der Höhe eines Quartals-Honorars. Zum Vergleich: Die Kosten einer Hospitalisierung betragen im Schnitt 4500 Euro.

In den nächsten Schritten, so kündigte Köhler an, werde es darum gehen, aus dem Modell ein Projekt für die Breitenversorgung mit vielen Patienten zu entwickeln und dabei auch verstärkt Methoden der Künstlichen Intelligenz einzusetzen. Perspektivisch kämen als Leistungserbringer auf Herzinsuffizienz spezialisierte Zentren in Frage, die nicht unbedingt Universitätskliniken sein müssen. Mit 20 bis 25 telemedizinischen Zentren wäre eine flächendeckende qualitativ hochwertige Versorgung möglich.

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