Lebensversicherung

Dieser Sparstrumpf hat sich überlebt

Die Assekuranzen renovieren das Produkt Lebensversicherung: Versicherte müssen stärker ins Risiko gehen. Vebraucherschützer raten, dabei nicht mitzumachen.

Von Friederike Krieger Veröffentlicht:
Wer heute noch eine Lebensversicherung abschließt, sollte scharf rechnen können.

Wer heute noch eine Lebensversicherung abschließt, sollte scharf rechnen können.

© imago/ARCO IMAGES

KÖLN. Die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt machen es für die Lebensversicherer immer schwerer, die Garantieverpflichtungen zu erfüllen, die sie ihren Kunden gegeben haben.

Die Anbieter tüfteln daher fieberhaft an Verträgen, die ihre Bilanzen weniger stark belasten sollen als klassische Lebens-Policen.

Marktführer Allianz und die Munich-Re-Tochter Ergo haben bereits neue Produkte mit abgespeckten Garantien auf den Markt gebracht. Verbraucherschützer raten aber vom Abschluss ab.

Wer heute eine klassische Lebensversicherung abschließt, dem sagt der Versicherer über die gesamte Laufzeit eine Verzinsung von 1,75 Prozent auf den Sparanteil der Beiträge zu.

Das ist der Betrag, der nach Abzug von Verwaltungs-, Vertriebs- und Abschlusskosten von den Prämien übrig bleibt. Hinzu kommt noch eine Beteiligung an den Überschüssen, die der Versicherer erwirtschaftet. Diese Summe ist aber nicht garantiert und wird jährlich neu festgelegt.

Produkte werden runderneuert

In früheren Jahren war die Garantieverzinsung weit höher. Viele Anbieter haben noch eine Fülle Altverträge in den Büchern, bei denen sie vier Prozent zugesagt haben.

Es fällt ihnen aber immer schwerer, am Kapitalmarkt hohe Renditen zu erwirtschaften. Für sichere Bundesanleihen erhalten sie derzeit nicht mehr als zwei Prozent Zinsen.

In Aktien zu investieren, die mehr Rendite bringen sollen, ist nur begrenzt möglich. Einige Versicherer wie die Zurich haben bereits angekündigt, sich komplett aus dem Geschäft mit klassischen Lebensversicherungen zurückziehen zu wollen. Andere überarbeiten ihre Produkte.

Den Anfang hat die Ergo gemacht, die im Juni ihre neue Garantiepolice präsentierte. Viel Ähnlichkeit mit einer klassischen Police hat der Vertrag nicht mehr, er mutet eher wie eine fondsgebundene Police an.

Das Geld der Kunden fließt nicht in den Deckungsstock des Versicherers. Statt dessen investiert die Konzernschwester Meag die Beiträge in Fonds. Das soll unter anderem höhere Investitionen in Aktien ermöglichen und den Versicherten mehr Rendite bringen.

Gleichzeitig sind die Kunden aber auch stärker im Risiko als früher. Entwickeln sich die Finanzmärkte schlecht, erhalten sie nur die eingezahlten Beiträge zurück.

Dazu müssen sie den Vertrag mindestens 15 Jahre lang halten. Eine garantierte Verzinsung wie bei den klassischen Policen gibt es hier nicht.

Die neue Police der Allianz ist stärker in der Welt der klassischen Lebensversicherung beheimatet. Das Geld der Kunden fließt wie gehabt in den Deckungsstock des Anbieters.

Ähnlich wie die Ergo garantiert auch die Allianz in der Ansparphase nur den Erhalt der eingezahlten Beiträge und eine Mindestrente in der Rentenphase. Im Gegenzug verspricht auch der Branchenriese höhere Renditechancen.

In diesem Jahr soll die Gesamtverzinsung inklusive Überschüsse bei dem neuen Produkt 4,5 Prozent erreichen. Die klassische Lebensversicherung kommt nur auf 4,2 Prozent.

Verbraucherschützer sind trotzdem nicht begeistert. "Der Verbraucher verzichtet auf 1,75 Prozent und bekommt dafür im Moment einen Zugewinn von 0,3 Prozentpunkten, der für die Zukunft völlig unverbindlich ist", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Die Kosten der Policen sind zu hoch

"Das ist kein guter Tausch." Zudem kritisiert er, dass die Police mit 1,06 Prozent Gesamtkostenquote genauso teuer ist wie ihr klassisches Pendant. Das missfällt auch dem Bund der Versicherten (BdV).

Während die Gesamtverzinsung jedes Jahr neu festgelegt werde, seien die Kosten fix. "Das einzige, was der Kunde sicher weiß: Die Deckung der Kosten der Allianz ist für dreißig Jahre sicher", frotzelt BdV-Chef Tobias Weissflog.

Die Kosten sind auch der wunde Punkt bei der Ergo-Police. Bei einem Kunden, der über 35 Jahre monatlich 100 Euro in den Vertrag einzahlt, mindern Abschluss-, Verwaltungs-, Garantieerzeugungs- und Kapitalanlagekosten die Rendite um 2,38 Prozent jährlich.

"Das halbiert ja die Erträge", sagt Nauhauser. Solch eine teure Anlage sei für die Altersvorsorge ungeeignet.

Kunden sollten ihr Geld lieber in Bank- oder Fondssparpläne investieren oder auch einen Teil in Immobilien - nur nicht in eine Versicherung. Dieses Konzept, meint Nauhauser, habe sich überlebt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Vertriebskosten senken!

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