Hintergrund

E-Card-Beschluss lässt viele Fragen offen

Das Ergebnis kam überraschend: Einstimmig hat die Selbstverwaltung sich vor einer Woche bei der elektronischen Gesundheitskarte auf die nächste Phase verständigt. Der Plan ist ehrgeizig, doch längst sind nicht alle Fragen beantwortet.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Jetzt geht die E-Card online.

Jetzt geht die E-Card online.

© Hannibal Hanschke / dpa

Am Ende sah alles ganz harmonisch aus: Einstimmig hat die Gesellschafterversammlung der gematik vor einer Woche das weitere Vorgehen bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) verabschiedet. Geradezu gelöst sei danach die Stimmung gewesen, berichten Verhandlungsteilnehmer.

Nach diesem Erfolg hatte es lange nicht ausgesehen. Zwar hatte sich schon seit Spätsommer abgezeichnet, dass 2012 weitere 60 Prozent der GKV-Versicherten mit einer eGK ausgestattet werden sollen.

Der Ausbau der Karteninfrastruktur aber war höchst umstritten: Die Kassen wollten das schnelle Online-Update der Versichertenstammdaten (Online-VSD) in der Praxis.

Die Ärzte hatten Sorge, dass es dabei dann bleibt und forderten deswegen die zeitgleiche Einführung der elektronischen Signatur als Voraussetzung für medizinische Funktionen der eGK.

Nur eine monatelange Pendeldiplomatie des ehemaligen Staatssekretärs Klaus-Theo Schröder (SPD) brachte beide Parteien zusammen.

Test innerhalb von zehn Monaten

Die Details der Einigung in der Gesellschafterversammlung der gematik Anfang Dezember wurden bisher nur unvollständig kommuniziert. Der Plan scheint zu sein, irgendwann Anfang 2012 den Auftrag für den Online-VSD zu vergeben.

Ab dem Zeitpunkt der Auftragsvergabe sollen dann innerhalb von zehn Monaten Feldtests starten, deren Ausgestaltung noch im Detail festgelegt werden muss.

Damit wäre eine Forderung der Krankenkassen erfüllt, mit dem Online-VSD im Jahr 2012, wenn auch nicht in den Rollout, so doch zumindest in die Tests zu gehen.

Sicherer verordnen dank eGK?

Eher überraschend wurde in der Gesellschafterversammlung der gematik neben der für die Kommunikation der Leistungserbringer nötigen elektronischen Signatur auch noch die elektronische Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung (AMTS) auf die Spur gebracht, und zwar unter Führung des Deutschen Apothekerverbands.

Die eGK-Anwendung AMTS baut auf dem Online-VSD auf, benötigt aber nach Information der ABDA keine qualifizierte Signatur. Damit könnte die AMTS relativ zügig kommen, wenn der Online-VSD erst einmal steht. ABDA und Apothekerkammer Westfalen-Lippe starten im kommenden Jahr in Bochum das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Pilotprojekt "TEAM eGK", bei dem eine apothekenübergreifende AMTS unter Einsatz der eGK in Bochum-Wattenscheid getestet wird.

Dieses Projekt könnte die Blaupause liefern für einen breiter angelegten Test im Rahmen der (noch zu benennenden) offiziellen eGK-Testregionen.

Dabei wird es aber nicht bleiben. Ebenfalls bei der Auftragsvergabe vorgeschrieben werden soll nämlich, dass ab Testbeginn innerhalb weiterer zehn Monate dann auch die qualifizierte elektronische Signatur (QES) getestet wird.

Sie ist die Voraussetzung für Anwendungen wie etwa die elektronischen Notfalldaten oder auch die so genannte Kommunikation Leistungserbringer (KOM-LE), also die elektronische Übermittlung von Arztbriefen oder Befunden.

Update nach dem Roll-out

Das Herzstück der entstehenden Infrastruktur soll - wie gehabt - ein Konnektor sein. Er bindet die Arztpraxis an die bundesweite Infrastruktur an und ermöglicht den Krankenkassen so das Online-Update der Stammdaten.

Die Erweiterung des reinen Online-VSD in Richtung QES soll über ein Update dieses Konnektors realisiert werden. Die nötige Software für die elektronische Signatur würde also nachträglich auf den Konnektor - nicht auf die eGK - aufgespielt werden. Damit könnten dann der Rollout des Online-VSD und der Rollout der KOM-LE zeitversetzt erfolgen.

Die avisierten Fristen allerdings werden von denen, die sie umsetzen müssen, als ziemlich ehrgeizig angesehen: "Es ist machbar, aber sehr knapp bemessen", sagt Pablo Mentzinis, eGK-Experte bei dem IT-Verband BITKOM.

"Sehr sportlich"

Martin Goedecke, Leiter Telematik im Gesundheitswesen bei der Deutschen Telekom, sieht das ähnlich: "Wir sehen die Fristen sportlich. Voraussetzung für eine Einhaltung der zehn Monate ist, dass alle Vorarbeiten der Selbstverwaltung abgeschlossen sind."

Ein wichtiger Knackpunkt ist, dass bei einem Einsatz des gematik-Konnektors erneut Zertifizierungen beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nötig werden dürften, da es sich nicht um eine Standardkomponente handelt.

Wann das passiert, hängt vor allem davon ab, wann die gematik die technischen Spezifikationen fertigstellt. Die Industrie hat darauf keinen Einfluss.

Und Versuche, die Hoheit über die Spezifikationen stärker in Industriehand zu legen, wurden bei der Gesellschafterversammlung blockiert.

Der Lenkungsausschuss soll monatlich tagen

Dass die internen Prozesse straffer sein müssen, um die sportlichen Fristen zu halten, scheint den Beteiligten allerdings klar zu sein. Dem Vernehmen nach soll künftig monatlich ein Lenkungsausschuss tagen, in dem nicht Vorstände, sondern Experten der Arbeitsebene sitzen, dazu der Schlichter Klaus-Theo Schröder.

Vorgesehen ist, dass dieses Gremium sogar eine gewisse Entscheidungskompetenz bekommt - für gematik-Verhältnisse ein Quantensprung. Trotzdem: Einen Projektleiter, der innerhalb gewisser Grenzen ohne Abstimmung selbstständig Entscheidungen treffen kann, wird die gematik wohl auch künftig nicht haben.

Eine interessante und bisher nicht beantworte Frage ist, wie genau es mit den ärztlichen Anwendungen der eGK eigentlich weitergeht.

Wenn die elektronische Signatur wie geplant auf den Konnektor aufgespielt wird, ist ein elektronischer Heilberufsausweis für die Kommunikationsanwendungen der Leistungserbringer (KOM-LE) erst einmal nicht zwingend nötig.

Und ohne elektronischen Heilberufsausweis wird es auch keine elektronischen Notfalldaten geben. Möglicherweise wird die erste echte medizinische Anwendung der eGK dann doch die Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung sein (siehe Kasten).

Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an