Mangel an Therapieplätzen
EU-Rente trotz ausstehender Behandlungen
Auch „Behandlungsfälle“ können zumindest temporär Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente erheben. Das gilt vor allem dann, wenn ein Patient keinen Therapieplatz bekommen hat.
Veröffentlicht:Dresden. Die Rentenversicherung muss eine Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) wegen psychischer Krankheiten auch dann zahlen, wenn diese nicht behandelt worden sind. Das hat das Sozialgericht Dresden in einem Urteil entschieden. Als Grund geben die Richter der 4. Kammer des Gerichts unter anderem an, dass es zu wenig Therapieplätze gebe.
Dem Urteil zugrunde lag eine Klage eines 37 Jahre alten Mannes gegen die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland. Er hatte wegen seiner überwiegend psychiatrischen Erkrankungen eine EU-Rente beantragt.
Die Rentenversicherung lehnte dies ab, da bei dem Mann ein „Behandlungsfall“ vorliege: Wenn er sich entsprechend behandeln lasse, könnten sich seine Symptome in einem überschaubaren Zeitraum bessern. Bisher habe er aber weder eine fachärztlich-psychiatrische Therapie, eine ambulante Psychotherapie noch eine stationäre oder teilstationäre Psychotherapie absolviert.
Die Dresdner Sozialrichter sahen dies anders und verurteilten die Rentenversicherung dazu, dem Mann eine befristete EU-Rente zu zahlen. Die fehlende Behandlung ändere nichts daran, dass der Mann nicht täglich mindestens sechs Stunden arbeiten könne. Dass es bisher keine Behandlung gegeben habe, sei zudem nicht sein Verschulden. Es liege vielmehr am Mangel einer ärztlichen Beratung oder der begrenzten Anzahl an Therapieplätzen.
Außerdem sahen die Sozialrichter keine gesetzliche Grundlage für die Ansicht der Rentenversicherung. Die 4. Kammer interpretierte Paragraf 66 des Ersten Sozialgesetzbuches so, dass die Zahlung einer EU-Rente erst dann verweigert werden könne, wenn ein Versicherter zu zumutbaren Behandlungen aufgefordert worden und dem nicht nachgekommen sei. Bis dahin könne die Auszahlung einer EU-Rente nicht verweigert, sondern nur befristet werden. (sve)
Sozialgericht Dresden, Az.: S 4 R 876/18