Vorteil Niederlassung

Eigene Praxis und eigene Familie - das passt perfekt!

Viele junge Ärzte wollen keine eigene Praxis führen, sondern sich anstellen lassen, um Zeit für eine eigene Familie zu haben. Dabei gibt es viele Gründe, warum eine Niederlassung die beste Work-Life-Balance bringt.

Von Julika Sandt Veröffentlicht:
Wer sein eigener Chef ist, hat die Freiheit, sich um seine Kinder zu kümmern, wann und wie es ihm passt.

Wer sein eigener Chef ist, hat die Freiheit, sich um seine Kinder zu kümmern, wann und wie es ihm passt.

© Konstantin Yuganov / stock.adobe.com

Der Trend zur Anstellung ist ungebrochen: Zwischen 2006 und 2016 hat sich die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich von 9057 auf 32.348 mehr als verdreifacht.

Aber lassen sich Familie und Beruf im Angestelltenverhältnis wirklich besser vereinbaren als in der Selbstständigkeit?

Sicher: Während der Mutterschutz für angestellte Ärztinnen geregelt ist, brauchen niedergelassene Kolleginnen für die Zeiten rund um die Geburt eine verlässliche Vertretung oder einen Praxis-Partner.

Auch wenn ein Kind krank wird, muss ein Plan B in der Praxis oder im Kinderzimmer sofort funktionieren. Andererseits: Wer sein eigener Chef ist, hat die Freiheit, seine Praxis-Öffnungsphasen und Urlaubszeiten zu bestimmen. Es ist zudem möglich, eine halbe Zulassung zu erwerben, also eine Praxis in Teilzeit zu betreiben.

"Ob in Teil- oder Vollzeit, die Praxis muss vollständig eingerichtet sein, und die Risiken hängen mit der Höhe des Investitionsvolumens zusammen", gibt Stefan Seyler, Direktor der apoBank Filiale München zu bedenken.

"Allerdings gibt es hier zwei Möglichkeiten, auch einen größeren Patientenstamm zu versorgen: entweder durch die Teilung einer Zulassung mit einem Partner oder durch die Anstellung eines Arztes."

Die Entscheidung für eine Einzelpraxis oder für eine Kooperation – zum Beispiel in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) – sollte ein Arzt laut Seyler individuell treffen.

"Für Kooperationen sprechen eine höhere Flexibilität in puncto Arbeitszeitgestaltung, der fachliche Austausch und die mögliche Kosteneinsparung, was aber auch Team- und Kompromissfähigkeit voraussetzt."

Seyler resümiert: "Fest steht, dass im Vergleich zur Teilzeit-Anstellung eine Praxisführung in Teilzeit auf jeden Fall mehr Gestaltungsspielraum und selbstbestimmtes Handeln bietet."

KBV: Zeit lässt sich freier einteilen

Auch Roland Stahl, Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hält die Niederlassung für eine sehr gute Voraussetzung, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren: "Anders als in der Klinik kann die freiberuflich tätige Ärztin – genauso natürlich wie der ärztliche Kollege – als Selbstständige in eigener Praxis ihre Zeit freier einteilen. Das gilt auch als angestellte Ärztin. Entscheidend sind hier die Absprachen im Team sowie die Organisation der Praxis."

Allerdings könnten mit der neuen großen Koalition die Freiheiten, die Niedergelassene in ihrer Zeiteinteilung haben, demnächst etwas beschnitten werden: Laut Koalitionsvertrag planen Union und SPD, das Mindest-Sprechstundenangebot für gesetzlich Versicherte auf 25 Stunden auszudehnen.

Stahl kritisiert, die Politik greife hiermit in den Bundesmantelvertrag von KBV und GKV-Spitzenverband ein, der ein Volumen von 20 Stunden verbindlich vorsieht.

"Diese fünf Stunden Mehr muss der Arzt irgendwo herholen und andere Tätigkeiten einschränken. Am besten wäre es natürlich, die Politik würde uns dabei unterstützen, den Bürokratieaufwand in den Praxen zu reduzieren."

Doch wie organisiert man sich als Familien- und Praxisgründer am besten? Brigitte Abrell, Coach und Autorin des Buches "Führen in Teilzeit" rät Ärztinnen und Ärzten, die sich trotz Familienwunsch selbstständig machen, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und möglichst viele der anderen Tätigkeiten auf Helfer zu übertragen.

"Gerade Freiberufler haben zudem gute Möglichkeiten, flexibel zu arbeiten und ihre Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Das ermöglicht es ihnen vielleicht an bestimmten Tagen, ihr Kind pünktlich vom Kindergarten abzuholen, den Nachmittag mit ihm zu verbringen und Verwaltungsaufgaben am PC zu erledigen, wenn das Kind im Bett liegt", erklärt Abrell.

Beste Work-Life-Balance

Dass der Weg der Niederlassung die beste Option für Work-Life-Balance ist, betätigt auch Michael Schwarz, Präsident des Verbandes Freier Berufe (vfb) Bayern.

Er führt seine Zahnarztpraxis seit 35 Jahren in einer 30-Stunden-Woche und hat gemeinsam mit seiner berufstätigen Frau zwei Kinder groß gezogen.

"In eigener Praxis bringe ich das Wohl meiner Patienten und den Anspruch an ein selbstbestimmtes Familienleben leichter zur Deckung als unter arbeitsrechtlich geregelter Beschäftigung in einem fremdgesteuerten Unternehmen", sagt Schwarz sehr deutlich.

Im Trend zum angestellten Arzt sieht der Präsident des vfb Bayern eine Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient: "Wenn die Versorgungseinheiten größer werden, möglicherweise doch irgendwann Fremdkapital an Einfluss gewinnt, der Mensch in den Hintergrund treten muss und das wirtschaftliche Unternehmensergebnis in den Mittelpunkt rückt, spätestens dann wird es schwierig für die Werte, die Ethik des Freien Berufs."

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