IGeL

Formalitäten sind das A & O

Individuelle Gesundheitsleistungen entpuppen sich immer wieder als Stolperfallen für Ärzte und deren Teams. In der Tat ist Vorsicht geboten, wenn es um das Anbieten und die Abrechnung entsprechender Selbstzahlerangebote geht.

Von Filip Kötter Veröffentlicht:
Auch bei IGeL-Angeboten müssen Rechnungen den Anforderungen der GOÄ genügen.

Auch bei IGeL-Angeboten müssen Rechnungen den Anforderungen der GOÄ genügen.

© imago

Der Fall: An der Rezeption einer dermatologischen Praxis fielen diverse Broschüren über Fruchtsäurepeelings und kosmetische Leistungen auf. Sie wurden den Patienten bereits bei der Anmeldung überreicht.

Im Wartezimmer befanden sich Plakate mit dem Slogan "Hau(p)tsache Erfolg", darauf das Bild einer jungen Frau mit makelloser Haut in Businessoutfit.

In der Bildunterschrift war von wissenschaftlichen Studien die Rede, die belegten, dass Aussehen und Erfolg im Beruf unmittelbar zusammenhängen.

Der Praxisinhaber erklärte, dass er bei entsprechendem Wunsch der Patienten Warzen unkompliziert und ohne schriftliche Vereinbarung entferne und hierfür pauschal 50 Euro berechne, die oft bar bezahlt würden.

Filip Kötter

In unserer Serie „Compliance in der Arztpraxis“ loten Medizinrechtler der Berliner Kanzlei DIERKS + BOHLE juristische Fragen der Praxisführung anhand von Beispielen aus der Praxis aus. Autor der heutigen Folge ist Filip Kötter.

Die Rechtslage: Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind ärztliche Leistungen, die der GKV-Katalog nicht umfasst, die daher privat zu liquidieren sind.

Typische IGeL-Angebote sind Vorsorgeuntersuchungen wie der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs oder der "große Gesundheits-Check".

In der Dermatologie handelt es sich oft um kosmetische Leistungen, etwa eine medizinisch nicht indizierte Aknebehandlung oder die Entfernung von Warzen.

Berufsrechtlich setzen in erster Linie die §§ 3 Abs. 2 und 11 Abs. 2 der Musterberufsordnung Maßstäbe für ethisch korrektes IGeLn: Ärzten ist demnach untersagt, gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, sie dürfen diagnostische oder therapeutische Methoden nicht unter missbräuchlicher Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patientinnen und Patienten anwenden.

Entscheidende Bedeutung haben darüber hinaus die ärztlichen Aufklärungspflichten. Die Information über IGeL hat stets sachlich zu erfolgen. Jede marktschreierische und anpreisende Werbung hat zu unterbleiben.

Das Leistungsangebot der GKV darf nicht pauschal abgewertet werden. Zwar darf das Praxispersonal über mögliche IGeL informieren, doch auch dies nur sachlich.

Der Arzt muss die Aufklärung des Patienten über Selbstzahlerleistungen stets persönlich vornehmen. Eine Delegation an das Praxispersonal ist nicht zulässig. Besonders zu beachten ist, dass der Patient darauf hinzuweisen ist, wenn der wissenschaftliche Nutzen einer Leistung nicht erwiesen ist.

Patienten dürfen nicht gedrängt werden

Auch der Information über Behandlungsalternativen kommt eine besondere Bedeutung zu. Besteht eine Behandlungsalternative, die von der GKV finanziert wird, ist der Patient darauf hinzuweisen.

Entsprechend dem ärztlichen Leitbild dürfen Patienten nicht zur Inanspruchnahme einer Leistung gedrängt oder eine medizinisch notwendige Behandlung an die Zustimmung zu einer IGeL gekoppelt werden. Vor Behandlungsbeginn sollte es eine angemessene Bedenkzeit geben.

Ebenso wichtig wie die medizinischen Informationspflichten sind im Zusammenhang mit Selbstzahlerangeboten die wirtschaftlichen. Laut Bundesmantelvertrag muss der Arzt gesetzlich versicherte Patienten insbesondere darüber informieren, dass die GKV die Kosten der Behandlung nicht übernimmt.

Der Patient muss der Behandlung auf eigene Rechnung schriftlich zustimmen. Darüber hinaus ist zwingend ein schriftlicher Behandlungsvertrag zu schließen. Der Arzt sollte die Leistungen anhand von Gebührenpositionen der GOÄ konkret benennen und den jeweiligen Steigerungsfaktor festlegen.

Pauschale Abrechnung nicht erlaubt

IGeL sind privatärztliche Leistungen, und daher nach der GOÄ abzurechnen. Das heißt auch, eine pauschale Abrechnung verbietet sich.

Die Rechnung hat den Anforderungen der GOÄ an eine korrekte Rechnungsstellung zu genügen, muss also das Datum der Leistungserbringung, die GOP und die Bezeichnung der berechneten Leistungen einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz angeben.

Verlangt der Arzt einen höheren als den 2,3fachen Gebührensatz für die jeweilige Leistung, muss er dies verständlich nachvollziehbar und schriftlich begründen.

Fehlt die vorherige schriftliche Zustimmung, wird der Behandlungsvertrag nicht schriftlich geschlossen, oder genügt die Rechnung nicht den Anforderungen der GOÄ, besteht gegen einen gesetzlich versicherten Patienten kein Anspruch auf Vergütung.

Die Lösung: Der Dermatologe hat die Informationsbroschüren ins Sprechzimmer gelegt, die Plakate hat er abgehängt. Eine routinemäßige Information jedes Patienten über Peelings und kosmetische Leistungen gibt es nun nicht mehr.

Auch vor alltäglichen Behandlungen wie der Entfernung von Warzen, schließt der Dermatologe nun einen schriftlichen Behandlungsvertrag mit den Patienten und rechnet nach GOÄ ab.

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