Anleger wittern Morgenluft

Gesundheitswerte im Aufwind

Technische Analysten konzedieren Pharma-Papieren einen Börsenerfolg. In der Pandemie haben sie ihre langjährige Widerstandsmarke durchbrochen. Doch Anleger sollten auch andere Aspekte als die Chart-Technik bei der Portfoliostrategie berücksichtigen.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Nicht zuletzt die Corona-Vakzine haben manchen Pharmaaktien richtig Auftrieb gegeben. Das verleitet Anleger zu Phantasien.

Nicht zuletzt die Corona-Vakzine haben manchen Pharmaaktien richtig Auftrieb gegeben. Das verleitet Anleger zu Phantasien.

© Klaus Ohlenschläger / picture alliance

Neu-Isenburg. Der MSCI World Pharma & Biotech gilt bei Profiinvestoren als Gradmesser zur technischen Analyse von Gesundheitsaktien. Der Index, der die Kursentwicklung der Aktien der 80 größten Pharma- und Biotechnologieunternehmen der Welt widerspiegelt, ist seit 2015 immer wieder an der Marke von 200 Punkten gescheitert – bis er sie in der Corona-Pandemie durchbrechen konnte. Heute notiert der Index bei mehr als 240 Zählern. Etliche Experten meinen, dass er weiter steigen wird.

„Pharmaaktien haben weiteres Potenzial“, sagt Rainer Beckmann, Geschäftsführer der ficon Vermögensmanagement in Düsseldorf. „Der Pharmasektor bleibt auch nach den bisherigen Kurssteigerungen des Index interessant“, sagt Titus C. Schlösser, Geschäftsführer der Vermögensberatung Portfolio Concept in Köln. „Anleger kommen an der Gesundheitsbranche nicht vorbei“, postuliert Michael Craatz, Stratege bei der Vermögensverwaltung Hansen & Heinrich in Frankfurt am Main.

Sorgt nur der Herdentrieb für Erfolg?

Bei der technischen Analyse versuchen Investoren, anhand des Kursverlaufs einer Aktie oder eines Index in der Vergangenheit Prognosen zu dessen künftiger Entwicklung zu treffen. Gelingt es über einen längeren Zeitraum wiederholt nicht, einen bestimmten Zählerstand zu überwinden, gilt diese Marke als Widerstand. Wird dieser schließlich durchbrochen, ist nach den Regeln der technischen Analyse der Weg frei für weitere Kursgewinne in erheblichem Umfang.

Unter Finanzmarktexperten ist umstritten, ob die technische Analyse tatsächlich ein valides Instrument zur Vorhersage der weiteren Kursentwicklung ist. Einige Studien zeigen, dass Investoren, die die technische Analyse anwenden, höhere Renditen erzielen. Die US-Ökonomen James Michael Poterba und Lawrence Henry Summers hingegen sehen darin eher eine selbsterfüllende Prophezeiung, die nur deshalb eintrete, weil genügend Profiinvestoren quasi im Herdentrieb die Regeln der technischen Analyse befolgen.

Fakt ist, dass der MSCI World Pharma & Biotech um mehr als 20 Prozent gestiegen ist, sobald der Widerstand von 200 Zählern durchbrochen wurde. Zwar haben Anleger während der Pandemie massiv Aktien von Impfstoffherstellern erworben und damit deren Notierung in die Höhe getrieben.

Die Aktienkurse von Johnson & Johnson, mit einem Anteil von 9,88 Prozent der größte Wert im Index, und AstraZeneca mit einem Anteil von 3,9 Prozent, sind seit Februar 2020 um mehr als neun Prozent gestiegen. Das Papier von Pfizer, mit 6,44 Prozent der zweitgrößte Wert im Index, hat seither sogar 70 Prozent gewonnen.

Gute Kursgewinne auch bei Eli Lilly

Aber auch Pharma-Konzerne, die keine Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus entwickelt haben, konnten in dieser Zeit gute Kursgewinne verbuchen. Die Notierung von Eli Lilly, mit einem Anteil von 4,35 Prozent im Index vertreten, hat um mehr als 60 Prozent zugelegt. Das Papier der Roche Holding, Indexanteil: 5,87 Prozent, gewann knapp zehn Prozent.

In den Industrienationen steige kontinuierlich die Zahl der älteren Menschen, denen in hohem Umfang Medikamente verschrieben werden. Gleichzeitig wachse in den Schwellenländern die Mittelschicht und damit die Zahl derjenigen, die sich Therapien gegen Krankheiten leisten können. „Das globale Umsatzvolumen der Gesundheitsindustrie von derzeit mehr als 3500 Milliarden Euro wird daher weiter zunehmen“, sagt Vermögensverwalter Beckmann. „

Bis 2030 werden allein die 38 Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Schnitt voraussichtlich 10,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Gesundheitskosten aufwenden – 1,4 Prozentpunkte mehr als bisher.“

Starke Schwankungen erwartet

Allerdings sollten Anleger nicht mit einem börsennotierten Indexfonds auf den MSCI World Pharma & Biotech setzen, rät Conrad Lauterbach, Vorstand des Vermögensverwalters Allington Investors in Bad Homburg. „Der Index wird von großen Konzernen dominiert, die nur vergleichsweise geringes Wachstumspotenzial haben.“ Stattdessen könnten Anleger zu aktiv verwalteten Fonds greifen, deren Manager über „sehr gutes fachliches Know-how im Pharmasektor verfügen“, sagt Frank Krekel, Stratege bei der Vermögensberatung Unikat in Koblenz.

Skeptischer ist Michael Schaefer, Investmentexperte bei I.C.M. Independent Capital Management in Neuss. Er erwartet, dass die Kurse von Pharmaaktien und der MSCI-Index in nächster Zeit stark schwanken, jedoch zunächst nicht mehr zulegen werden. „Nach den Kurssteigerungen ist mit einer Sättigung bei Investoren zu rechnen.“ Ausgewählte Einzelwerte böten aber die Chance für attraktive Renditen.

„Novo Nordisk ist Weltmarktführer bei Diabetesmedikamenten und verfügt mit Blutgerinnungsmedikamenten und Wachstumshormon- und Hormonersatztherapien über umsatzstarke Produkte“, sagt Schaefer. Einen Blick lohne auch Bristol-Myers Squibb. „Es gehört nach vielen Übernahmen zu den führenden Pharmaunternehmen“, so Schaefer. Die Dividendenrendite von 3,2 Prozent sei für Anleger interessant.

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