„Nicht mit uns“
Hamburger Hausärzteverband ist gegen mehr Coronatests
Von einer Test-Offensive auf Corona-Infektion hält der Hamburger Hausärzteverband gar nichts: Dafür seien keine Kapazitäten frei. Stattdessen hat der Verband einen anderen Vorschlag.
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Das Bundesinnenministerium denkt über eine Coronavirus-Testoffensive nach.
© Marijan Murat / dpa / picture alliance
Hamburg. Wie lässt sich der Kreis der Corona-Infizierten am wirksamsten eindämmen? Das Bundesinnenministerium hat hierzu vergangene Woche ein internes Strategiepapier entwickelt, das beim Hamburger Hausärzteverband auf Vorbehalte stößt. Der Verband sieht für eine Ausweitung von Coronatests keine freien hausärztlichen Kapazitäten. Er fordert eine Kehrtwende bei der Testung und eine Konzentration der hausärztlichen Ressourcen auf die Behandlung kranker Menschen.
„Nur weil Corona DAS mediale Thema ist, sind die anderen Kranken nicht gesünder geworden“, schreibt der erste Vorsitzende des Hamburger Hausärzteverbandes, Dr. Frank Stüven, an seine Kollegen. Und er stellt klar: „Die brauchen uns! Wir wollen das leisten! Wir können das leisten?! Aber Abstriche für das RKI oder für das Bundesinnenministerium machen wir nicht mit.“
Quarantäne bevorzugt
Damit reagierte Stüven auf Pläne des Innenministeriums nach einer Ausweitung der Tests. Laut Medienberichten schlägt das Innenministerium vor, sowohl Personen mit Eigenverdacht als auch den gesamten Kreis der Kontaktpersonen von positiv getesteten Menschen zu testen.
Wirksamer wäre nach Ansicht der Hamburger Verbandsspitze ein anderer Weg: Der öffentliche Gesundheitsdienst solle mit einem Erlass dafür sorgen, dass jeder mit Symptomen eines grippalen Infektes zusammen mit sämtlichen Haushaltsmitgliedern zwei Wochen lang in häuslicher Quarantäne bleibt. Bei einer Verschlechterung des Zustands sollen sich die Patienten an ihren Hausarzt oder an den Arztruf 116117 wenden. Gegenüber dem Arbeitgeber soll eine Selbstauskunft reichen.
„Es ist eine wirksame Containment-Strategie, denn eine andere Folge hätte ein positiver Abstrich derzeit auch nicht. Es verhindert Ressourcenverschwendung von Ärzten und Laborkapazitäten“, so Stüven. Eine Massentestung von nahezu asymptomatischen Patienten dagegen lehnt er ab.
Nicht jeder Arzt hat Video
Das Gefühl, nicht wie gewohnt behandelt zu werden, kommt nach seiner Einschätzung bei Patienten mit anderen Erkrankungen in Hamburg bislang noch nicht auf – mit der Ausnahme, dass sinnvollerweise vermehrt mit telefonischer Beratung gearbeitet wird. Stüven gibt auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ aber zu bedenken: „Wegen fehlender Schutzausrüstungen sind Besuche im Pflegeheim riskant. Wir versuchen sie, solange wir keine Schutzkleidung haben, auf ein Minimum zu beschränken.“
Leid täten ihm zudem Patienten mit Angsterkrankungen und Depressionen, die sich nicht mehr in die Praxen trauen. Stüven: „Wir versuchen das über Videosprechstunden auszugleichen, aber gerade die Älteren haben nicht immer die technische Ausstattung dazu.“
Die angespannte Lage in Hamburg – der Stadtstaat hat im Ländervergleich die meisten Infizierten je 100.000 Einwohner – wirkt sich nach seinen Angaben unterschiedlich auf die Stimmung der Hausärzte aus. Viele seien optimistisch, andere sorgten sich um Mitarbeiter und um kranke Hausbesuchspatienten, „denen wir womöglich mangels Schutzkleidung das Virus erst einschleppen.“ Und schließlich sorgten sich Kollegen, die selbst zur Risikogruppe zählen, zu Recht auch um die eigene Gesundheit und Einsatzfähigkeit.
Anrufwelle abgeebbt
Es gibt aber auch gute Nachrichten aus Hamburg: Die Lage beim Hamburger Arztruf hat sich laut KV deutlich entspannt .die Zahl der Anrufe pro Tag ist auf ein Zehntel der einstigen Anrufe zurückgegangen. „Wir sind problemlos erreichbar und schnell beim Patienten“, sagte KV-Chef Walter Plassmann. Neben der reduzierten Anruferzahl habe dazu auch ein Kapazitätsausbau beigetragen. Nun ist Plassmann optimistisch, dass selbst eine höhere Inanspruchnahme noch zu stemmen wäre. Denn auch die Schutzausrüstung werde „auf mittlere Sicht“ reichen.
Die KV bittet gleichzeitig aber auch, mit Erkältungssymptomen nicht in die Krankenhausambulanzen zu gehen und nicht die Feuerwehr unter 112 anzurufen.