Klinikqualität

Hessen setzt auf Hilfe statt Druck

Vom Freund zum Feind? Die Rolle der Qualitätssicherung verändert sich mit der Klinikreform deutlich. Experten sehen darin ein Problem – und fürchten, dass gar bestimmte Patienten abgelehnt werden könnten. In Hessen probiert man deswegen neue Wege.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Moderne Technik im Op: Im Peer-Review-Verfahren helfen externe Gutachter, Strukturen und Arbeitsbedingungen anhand der Daten zu optimieren.

Moderne Technik im Op: Im Peer-Review-Verfahren helfen externe Gutachter, Strukturen und Arbeitsbedingungen anhand der Daten zu optimieren.

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FRANKFURT/MAIN. Ohne die richtigen Instrumente wird die Klinikreform scheitern: "Planungsrelevante Faktoren sind in der ursprünglichen Idee der Qualitätssicherung nicht vorgesehen", betont Dr. Björn Misselwitz, Leiter der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen (GQH). "Das Konzept nun einfach zu übertragen, ist daher vermutlich zum Scheitern verurteilt", sagt er der "Ärzte Zeitung".

Die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren sollen laut Klinikreform die Basis für zulassungs- und vergütungsrelevante Entscheidungen bilden. Der GBA hat im Dezember die ersten Qualitätsindikatoren für gynäkologische Operationen (drei), Geburtshilfe (fünf) und Mammachirurgie (drei) festgelegt. Mitte Mai müssen die Krankenhäuser die ersten Daten für die Prüfung liefern, das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) prüft auf statistische Auffälligkeiten.

Misselwitz bewertet die durch die Qualitätsindikatoren angestoßene Entwicklung jedoch kritisch. Er sieht, dass ein Verfahren, das ursprünglich zur Unterstützung der Kliniken entwickelt wurde, nun dazu gebraucht werden soll, um den Druck auf Kliniken zu erhöhen. Das berge die Gefahr, dass Kliniken aufgrund dieses Drucks bewusst für bessere Daten sorgen könnten. "Etwa in Form von Fehldokumentationen, aber auch durch eine gezielte Patientenselektion, beides um möglicherweise besser dazustehen." Gerade das Ablehnen bestimmter Patientengruppen bereite ihm Sorge. "Ein multimorbider Patient, der in die Klinik kommt, wird dann einfach nicht angenommen – weil beispielsweise das Risiko, dass er verstirbt, einfach zu hoch ist", schließt Misselwitz.

Auch Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI), sagte jüngst beim BDI-Symposium auf dem 39. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf: "Die Qualitätsindikatoren bedeuten ganz massive Eingriffe in die Strukturen der Krankenhäuser." Wegen der gravierenden wirtschaftlichen Folgen müssen die Indikatoren unbedingt rechtssicher sein, betonte er (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

Die größte Herausforderung ist laut Misselwitz darüber hinaus, neben dem eingeschlagenen Weg dafür zu sorgen, dass eine Qualitätssicherung mit dem ursprünglichen Charakter des "Freundes" der Kliniken bestehen bleibt. Ein Modellprojekt in Hessen zeigt, wie das funktionieren kann: In einem dreijährigen Pilotprojekt analysiert die GQH gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen die Cholezystektomie in einem sogenannten Peer-Review-Verfahren. Diese Peer Review ist ein Angebot an Kliniken, bei dem Teams aus Fachärzten und Landesgeschäftsstelle in die Häuser kommen, um die Strukturen, Prozesse und Arbeitsbedingungen anzusehen: den Verlauf einer Operation, Gespräche mit dem Krankenhauspersonal, Hygienemaßnahmen. "Das ist eine Begegnung auf Augenhöhe", betont Misselwitz die Idee. Das Verfahren werde explizit genutzt, um die Qualität voranzubringen – und nicht als Druckmittel.

Er befürchtet, dass seine Arbeit zum "roten Tuch" für die Kliniken werden könnte. "Bei vielen Kliniken konnte über die Jahre ein großes Vertrauen aufgebaut werden", erklärt Misselwitz im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". "Nun kommt das Gesetz als scharfes Schwert. Da kommt schon die Frage auf, ob wir dieses Vertrauensverhältnis noch wahren können?"

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