Homöopathikahersteller hadern mit Brüssel

Vertreter komplementärmedizinischer Therapien fürchten, dass homöopathische und anthroposophische Arzneien durch eine unpraktikable europäische Gesetzgebung zusehends vom EU-Markt verdrängt werden.

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:
120 Millionen Menschen in der EU nutzen regelmäßig homöopathische und anthroposophische Arzneien.

120 Millionen Menschen in der EU nutzen regelmäßig homöopathische und anthroposophische Arzneien.

© Foto: ill

"Die Homöopathie lebt von der Vielfalt der verfügbaren Arzneien, weil sie eine Individualmedizin ist. Wenn aber die Kosten für die Registrierung und Zulassung weiter steigen, wird das erhebliche Auswirkungen auf die Produktpalette nach sich ziehen", so Max Daege, Präsident von Echamp, einer europäischen Vereinigung von Herstellern homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel.

Grund hierfür seien harmonisierte Vorschriften der EU für die Registrierung beziehungsweise Zulassung der Mittel. Demnach müssen die Hersteller homöopathischer Arzneimittel seit 1993 einen Qualitäts- und Sicherheitsnachweis erbringen, wenn sie ihre Produkte in den Ländern der EU in Verkehr bringen. Die Wirksamkeit der Mittel müssen sie nicht belegen.

Dies gilt für Präparate ohne Indikation, die für die äußerliche oder orale Anwendung bestimmt sind. Der Verdünnungsgrad homöopathischer Mittel muss zudem mindestens 1 zu 10 000 betragen (entsprechend einer Potenz von D4/C2).

Kleinen Firmen fehlt das Geld für die Registrierung

Viele der zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen könnten die Kosten von rund 5000 Euro für eine Registrierung beziehungsweise Zulassung nicht aufbringen, so Nand de Herdt, Generalsekretär von Echamp. Die nicht-registrierten Mittel verschwänden zusehends vom Markt. Als problematisch bezeichnete Curt Kösters vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte zudem die EU-Kinderarzneimittelverordnung, der zufolge Arzneimittelhersteller klinische Daten zur Anwendung bei Kindern vorlegen müssen, um eine entsprechende Zulassung zu bekommen.

"Herstellern homöopathischer Arzneimittel, die diesen Nachweis nicht liefern können, droht, dass ihre Produkte künftig mit Beschränkungen, wie ,Nicht für die Anwendung bei Kindern geeignet‘ versehen werden", kritisiert Kösters. Homöopathika werden meist nicht erstattet

Hinzu komme, dass den Patienten vielerorts die Kosten für homöopathische Arzneimittel meist nicht erstattet würden. Zwar hätten über 100 gesetzliche Kassen in Deutschland für rund 17 Millionen Versicherte Verträge über eine homöopathische Versorgung abgeschlossen. "Erstattet werden aber oft nur die ärztlichen Leistungen", moniert Kösters.

Dennoch gehört Deutschland zu den wenigen EU-Ländern, in denen bereits zahlreiche homöopathische und anthroposophische Arzneien registriert sind. Rund 4000 Produkte sind hierzulande offiziell verzeichnet. Mehr sind es nur in Österreich mit etwa 6000 registrierten Produkten.

"In den meisten Mitgliedstaaten werden die EU-Vorschriften allerdings nicht korrekt umgesetzt", berichtet Daege. So hätten etwa die Hersteller homöopathischer Arzneimittel in Belgien, Italien und Spanien insgesamt 15 000 Produkte zur Registrierung angemeldet. Die Behörden kämen ihrer Verpflichtung, die Anträge zu bearbeiten, aber nicht nach.

Die Vertreter homöopathischer und anthroposophischer Therapien fordern daher, die gesetzlichen Regelungen für komplemtärmedizinische Arzneimittel zu vereinfachen und die Interessenvertreter stärker in diesen Prozess einzubeziehen. Auch müssten für homöopathische und anthroposophische Arzneien dieselben Anforderungen an die Pharmakovigilanz gelten, wie für allopathische Arzneimittel, betont Daege. Das sei in dem Maßnahmenpaket, das EU-Kommissar Günter Verheugen am Mittwoch vorstellen wollte, bislang nicht vorgesehen.

Trotz der Unzulänglichkeiten erfreuen sich komplemtärmedizinische Verfahren bei den Patienten zunehmender Beliebtheit. Mehr als 120 Millionen EU-Bürger nutzen Echamp zufolge regelmäßig homöopathische und anthroposophische Arzneien oder Therapien. Die Patienten geben hierfür pro Jahr im Durchschnitt etwa vier Euro aus. 55000 europäische Ärzte verfügten über eine homöopathische, 2000 über eine anthroposophische Zusatzausbildung.

Spitzenreiter bei Herstellung und Verkauf ist Deutschland 2005 verkauften die Hersteller nicht-allopathischer Arzneimittel nach Angaben von Echamp europaweit Produkte im Wert von 930 Millionen Euro. 87 Prozent davon entfielen auf Homöopathika. Die Präparate machen der Vereinigung zufolge rund ein Prozent des gesamten Pharmamarktes aus. Bei den rezeptfreien Produkten betrage der Anteil etwa sieben Prozent. Der Markt wachse zudem jährlich um etwa fünf Prozent. Spitzenreiter bei der Herstellung und beim Absatz seien Deutschland und Frankreich, gefolgt von Italien, den Niederlanden und Spanien.

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