Urteil

Klinik muss für "unbezahltes" praktisches Jahr Entgelt zahlen

Eine Praktikantin, die übliche Arbeitnehmertätigkeiten leistet, hat auch Anspruch auf Bezahlung, so das Bundesarbeitsgericht.

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ERFURT. Übernehmen angehende Therapeuten während ihres praktischen Ausbildungsjahrs auch eigenständige Aufgaben, können sie Anspruch auf eine Bezahlung haben. Ein solcher Anspruch besteht für höherwertige Arbeiten, die über die vertraglich vereinbarte Praktikums-Tätigkeit hinausgehen, wie kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden hat.

Die Klägerin war ausgebildete Diplom-Pädagogin und wollte sich als psychologische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin weiterbilden. Vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Januar 2010 absolvierte sie ihr vorgeschriebenes praktisches Jahr in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Klinik und Klägerin vereinbarten, dass für das Praktikum keine Vergütung bezahlt wird.

Als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt

Doch während ihrer Ausbildung wurde die Diplom-Pädagogin bereits mit als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt. Zumindest an zwei Tagen die Woche habe sie eigenständige Tätigkeiten ausgeübt, die eine Praktikantin ohne Aufsicht, Kontrolle und ohne gemeinsam nachfolgende Analyse nicht verrichten müsse, rügte sie.

Dazu gehörten Tests zu Intelligenz, Depressionen oder Rechtschreibschwäche. Selbst Hausbesuche ohne Begleitung habe sie durchgeführt.

Ihre Leistungen seien gegenüber der Krankenkasse als "Leistungen einer Psychotherapeutin" abgerechnet worden und nicht als die einer Praktikantin. Wegen Personalmangels habe sie dieselbe Arbeitsleistung erbringen müssen, wie fest angestellte Psychotherapeuten. Die Klinik müsse ihr daher diese Tätigkeit auch angemessen vergüten.

Das BAG sprach ihr nun eine Vergütung in Höhe von insgesamt 8000 Euro zu. Weil sie im Umfang von zwei Arbeitstagen pro Woche Tätigkeiten ausgeführt habe, die eine Praktikantin nach den entsprechenden Ausbildungsvorschriften ohne Aufsicht, Kontrolle und ohne gemeinsame nachfolgende Analyse nicht verrichten musste.

Auch wenn ein unentgeltliches Praktikum vereinbart werde, könne ein Anspruch auf Vergütung bestehen, so die Erfurter Richter. Dies gelte selbst dann, wenn nach dem Psychotherapeutengesetz die Anwendung des Berufsbildungsgesetzes und der darin verankerte Anspruch auf "angemessene Vergütung" der Ausbildung ausgeschlossen ist. (fl/mwo)

Az.: 9 AZR 289/13

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