Haftpflicht

Krankenhäuser ziehen mit Versicherern an einem Strang

Viele Versicherer haben Policen für die Klinikhaftpflicht aus dem Programm genommen. Die verbleibenden Anbieter stellen hohe Anforderungen an die Häuser. Letztlich profitieren davon vor allem die Patienten.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Landen ärztliche Behandlungsfehler vor Gericht, kann es für Versicherer teuer werden.

Landen ärztliche Behandlungsfehler vor Gericht, kann es für Versicherer teuer werden.

© Aycatcher/fotolia.com

Die Krankenhaushaftpflicht ist ein Thema, das Kliniken und Versicherern in den vergangenen Jahren viele graue Haare beschert hat. Die Versicherer beklagen die Belastung durch immer teurere Schadenfälle, viele Anbieter haben sich aus dem Geschäftsfeld zurückgezogen.

Als Folge wurde die Absicherung für die Häuser schwieriger und vor allem teurer. Diese Situation könnte für die Patienten langfristig einen positiven Effekt haben. Denn die Versicherer nehmen das Risikomanagement der Kliniken und die Schadenprävention verstärkt in den Blick.

"Anders als in der Vergangenheit betrachten die Versicherer bei der Prämienbemessung nicht mehr nur die Anzahl und die Höhe der Schäden, sondern beziehen die Maßnahmen im Risikomanagement als weiteren Parameter ein", sagt Manfred Klocke, Hauptgeschäftsführer von Ecclesia, dem führenden Versicherungsmakler im Gesundheitswesen.

"Das Risikomanagement wirkt sich auf die Zeichnungsbereitschaft und die Prämienhöhe aus", berichtet er. Das gelte für alle großen Anbieter, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

Verbessertes Risiko- und Qualitätsmanagement

Das Interesse der Versicherer am Thema kommt nicht von ungefähr. Zwar ist eine direkte Korrelation zwischen dem Risikomanagement und der Schadenbelastung eines Krankenhauses in den Zahlen nicht nachweisbar.

Es gebe aber klare Hinweise, sagt Klocke. Seit mehr als zehn Jahren sei die Anzahl der nachgewiesenen Behandlungsfehler trotz der höheren Arbeitsverdichtung und des Pflegenotstands in den Kliniken nicht gestiegen.

"Das kann nur auf eine höhere Professionalität und Verbesserungen im Risiko- und Qualitätsmanagement zurückzuführen sein."

Er sieht einen weiteren Effekt: Durch die teuren Haftpflichtprämien wählen immer mehr Kliniken einen hohen Selbstbehalt. Die direkte finanzielle Belastung im Schadenfall erhöht das Interesse an einem funktionierenden Risikomanagement.

Für die Patienten ist jede risikominimierende Maßnahme wichtig - egal aus welchen Motiven sie erfolgt.

Den Risiken bewusst sein

"Jedes Krankenhaus muss sich seiner Risiken und seiner Prozesse bewusst sein", betont Christian Diedrich, im Vorstand des Versicherers Ergo verantwortlich für die Schaden- und Unfallversicherung.

Ergo hat für die Kliniken ein spezielles Risikomanagement-Screening entwickelt. Neben den allgemeinen Informationen über das jeweilige Krankenhaus, die für die Bewertung wichtig sind - Anzahl der Behandlungsfälle, hat das Haus eine Gynäkologie oder betreibt es eine Blutbank? - checkt der Versicherer eine ganze Reihe von Kriterien, berichtet Christian Kussmann, Abteilungsleiter bei Ergo.

Abhängig von den konkreten Aktivitäten des Hauses umfasst die Checkliste bis zu 400 Punkte.

"Eine Mitarbeiterin der Ergo geht gemeinsam mit einem klinisch erfahrenen Risikoberater für zwei Tage in die Häuser und verschafft sich einen Überblick über das Risikomanagement", sagt Kussmann. Dort, wo der Versicherer Handlungsbedarf sieht, empfiehlt er konkrete Maßnahmen.

Die Verbesserungsvorschläge sind nicht unverbindlich. "Der Abschluss beziehungsweise die Fortführung der Haftpflichtversicherung setzt voraus, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden", betont Vorstand Diedrich. In einem Segment, in dem nur noch so wenige Anbieter aktiv sind wie in der Krankenhaushaftpflicht, bleibt ein solches Vorgehen nicht ohne Wirkung.

Auch die Versicherungskammer Bayern (VKB) setzt auf die aktive Unterstützung im Risikomanagement. "Wir haben einen Katalog von Mindest-Anforderungen entwickelt", sagt Harald Speil, der als Hauptabteilungsleiter Haftpflicht für die Heilwesenversicherung bei der VKB zuständig ist.

Kliniken geht es auch um ihr Renommee

Die Reaktion der Krankenhäuser sei in der Regel positiv. "Es geht für sie bei dieser Frage nicht nur um die Versicherungsprämien, sondern auch um ihr Renommee."

Wenn Kliniken sich dem Risikomanagement verweigern würden, würde auch die VKB nicht zeichnen. Ein solches Verhalten gebe es aber in der Realität nicht mehr.

Es sei klar, dass auch das beste Risikomanagement nicht zur generellen Vermeidung von Schäden führen könne, betont Speil. "Aber man kann die Eintrittswahrscheinlichkeit reduzieren."

Es liegt auf der Hand, warum dies im Interesse der Haftpflichtversicherer ist: Weniger Schäden bedeuten geringeren Aufwand. Wenn sich das langfristig positiv auf die Höhe der Prämien auswirkt, profitieren auch Kliniken finanziell.

Man muss zwar kaum noch einen Klinikmanager von der Sinnhaftigkeit risikominimierender Maßnahmen überzeugen. Dennoch kann ein wenig Druck durch die Vorgaben der Versicherer nicht schaden. Jeder Schritt, der zu einer höheren Patientensicherheit beiträgt, zählt.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an