Hintergrund

Machen Unisex-Tarife Versicherungen für Männer und Frauen teurer?

Versicherer müssen künftig gleiche Tarife für Männer und Frauen anbieten. Dazu müssen Prämien künftig anders kalkuliert werden. Möglicherweise wird es für beide Geschlechter teurer.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:

Frauen müssen künftig mehr für ihre Kfz-Versicherungen zahlen. Diese Botschaft tönte auf allen Kanälen, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom Dienstag geschlechtsspezifische Versicherungstarife verboten hatte.

Doch Ärztinnen müssen nicht fürchten, wegen des Urteils mehr für ihre Auto-Policen zahlen zu müssen. Darauf weisen Verbrauchschützer hin. Denn in der Kfz-Sparte spielen geschlechtsspezifische Tarife schon heute kaum eine Rolle.

Für Ärztinnen teurer werden wahrscheinlich Risikolebens- und Unfallpolicen. Die weitaus wichtigeren Renten- und Krankenversicherungen dagegen könnten günstiger werden.

Die Richter des EuGH haben eine Ausnahmeregelung für die Assekuranz aufgehoben. Denn die 2004 verabschiedete Gleichstellungs-Richtlinie der EU sieht bereits die umfassende Gleichbehandlung der Geschlechter vor. Ab dem 21. Dezember 2012 ist die Ausnahme ungültig, ab dann dürfen Versicherer nur noch sogenannte Unisex-Tarife verkaufen.

Die Manager der Assekuranz haben sich massiv gegen das Gebot der Unisex-Tarife gewehrt. Die Behauptung, geschlechtsneutrale Policen würden den Versicherungsschutz für Autofahrerinnen verteuern, ist dabei offenbar nur ein Hilfsargument.

"Es gibt nur noch ganz wenige Kfz-Versicherer, die einen Frauenrabatt anbieten", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Und nicht nur das. "Solche Tarife sind für Frauen meistens viel teurer als Unisex-Verträge bei anderen Versicherern", sagt er.

Die Preise für eine Autopolice hängen von sehr vielen Kriterien ab, etwa Wagentyp oder Wohnort. Zwar zahlen Frauen tatsächlich weniger als Männer - möglicherweise aber deshalb, weil sie kleinere Autos und weniger Kilometer fahren. Geschlechtsspezifische Unterschiede machen die Versicherer in der Regel nur bei jungen Leuten.

"Fahranfängerinnen unter 25 Jahren fahren günstiger als Männer unter 25 Jahren", sagt ein Sprecher des zweitgrößten deutsche Autoversicherers HUK-Coburg. Ähnlich äußert sich ein Sprecher von LVM, dem fünftgrößten Anbieter.

"Nur bei den 18- bis 23-Jährigen gibt es Unterschiede, ansonsten spielt das Geschlecht keine Rolle", sagt er. Hintergrund für diese Differenzierung sind relativ hohe Unfallzahlen bei jungen Männern. Künftig werden die jungen Frauen dafür wohl mitzahlen müssen.

In der Risikolebensversicherung zahlen Ärztinnen heute weniger als Ärzte, weil sie seltener in jüngeren oder mittleren Jahren sterben. In der privaten Rentenversicherung ist es genau umgekehrt. Weil Frauen älter werden und deshalb länger Rente beziehen, müssen sie derzeit mehr einzahlen.

Ob sich das ändert, bleibt abzuwarten. "Es ist zu fürchten, dass die Versicherer unter dem Deckmantel der Geschlechterneutralität an der Prämienschraube drehen", sagte Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Manager der Assekuranz begründen Preisanhebungen mit der nun nötigen vorsichtigeren Kalkulation. "Es wird in der Tendenz teurer, weil die Versicherer mehr Sicherheiten einbauen müssen", sagte Roland Weber, Finanzvorstand des Versicherungskonzerns Debeka.

Denn sie können nicht davon ausgehen, dass gleichermaßen Männer und Frauen die Policen kaufen. Statt einer Mischkalkulation muss die höhere Lebenserwartung der Kundinnen für alle zugrunde gelegt werden. Zumindest für eine Übergangszeit könnten Unisex-Tarife im Schnitt für Männer und Frauen teurer sein als bisher.

Krankenversicherer stellt das Urteil vor besondere Probleme. Sind Unisex-Tarife eingeführt, könnten Kundinnen aus dem Bestand in die für sie günstigeren Angebote wechseln. "Damit wäre der Tarif dann unterkalkuliert", sagt Weber. Damit das nicht geschieht, müssten diese Tarife deutlich teurer werden. Weber fordert deshalb, dass die neuen Regeln auch für den Bestand gelten.

"Die Unisex-Tarife sollten rückwirkend für alle Verträge eingeführt werden", sagt er. Vorbild könne die Verteilung der Schwangerschaftskosten sein, die infolge des Antidiskriminierungsgesetzes auf Männer und Frauen verteilt werden mussten. Auch dafür wurden alle bestehenden Tarife geändert.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Künftig mit Sicherheitspuffer

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