Fernbehandlung

Medi24 strebt Deals mit Kassen an

Nach Freigabe der Fernbehandlung ohne persönlichen Erstkontakt kommt jetzt der Schweizer Telemed-Anbieter Medi24 nach Deutschland. Als Konkurrent zum Versorgungsangebot der Niedergelassenen will er aber nicht wahrgenommen werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Schnell mal mit einem Arzt sprechen? Das ist jetzt auch in Deutschland möglich.

Schnell mal mit einem Arzt sprechen? Das ist jetzt auch in Deutschland möglich.

© Getty Images/iStockphoto

MÜNCHEN. Der Telemed-Anbieter Medi24 rudert zurück: Zum Marktstart seiner telefonischen Arztkonsultation in Deutschland ist – entgegen erster Ankündigung – nun doch nicht jegliche Inanspruchnahme kostenlos (wie kurz berichtet).

Den Passus „der Service ist ab sofort verfügbar und in der Testphase kostenlos“ hat das zur Allianz-Gruppe gehörende, in der Schweiz beheimatete Unternehmen inzwischen korrigiert und den zweiten Satzteil von seiner Website entfernt.

Auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ ließ eine Unternehmenssprecherin wissen, dass es sich bei der „Erläuterung der Kosten von Medi24 in unserer Pressemeldung um eine etwas verkürzte Darstellung“ gehandelt habe, „die möglicherweise missverständlich war“.

Tatsächlich fielen für Anrufer aus Deutschland nur dann keine Kosten an, wenn sie lediglich eine „individuelle Dringlichkeitsevaluierung und anschließende Handlungsempfehlung (Triage) durch einen medizinischen Experten in der Schweiz“ beanspruchen.

Für den Fall jedoch, dass ein Anrufer „im Anschluss einen Rückruf durch einen in Deutschland ansässigen Arzt“ benötigt oder wünscht, „fällt eine Gebühr gemäß GOÄ an“.

Allianz ist „Kunde unter vielen“

Laut Berufsordnung muss eine ärztliche Honorarforderung „angemessen“ sein, darf aber die GOÄ-Sätze auch nicht in unlauterer Weise unterschreiten. Kostenlos behandeln dürfen Ärzte demnach nur Verwandte, Kollegen und deren Angehörige sowie mittellose Patienten.

Bei der Marktbearbeitung in Deutschland setzt Medi24 vor allem auf die Kooperation mit Krankenversicherern. „Wir streben an, Verträge mit gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherern abzuschließen“, erklärt Milan Kingreen, Managing Director des Unternehmens in Deutschland. Sie sollen bei ihren Versicherten die Kosten für die Leistungen des Unternehmens übernehmen.

Medi24 gehört zwar zu Allianz Partners, dem Assistance-Spezialisten der Allianz-Versicherungsgruppe. Das habe jedoch keinen Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten, betont Kingreen. „Die Allianz ist ein Kunde unter vielen.“

Die Medi24-Hotline steht Allianz-Kunden im Rahmen der Kranken- und Reise-Assistance zur Verfügung. Die Allianz Private Krankenversicherung kooperiert bereits seit zwei Jahren mit Medi24.

Ärzte haben Software entwickelt

An der Hotline des Unternehmens schildern die Anrufer ihre gesundheitlichen Probleme zunächst einem medizinischen Fachberater. Das sind häufig Pflegekräfte mit mindestens zehnjähriger Berufserfahrung.

Außerdem haben sie eine zweijährige telemedizinische Ausbildung absolviert. „Sie sind sehr gut geschult und können mit ihren Ohren sehen“, sagt Kingreen.

Unterstützt werden die Fachkräfte durch eine von Ärzten entwickelte Software, die sie durch die Gespräche leitet. Die Fachkräfte geben eine Handlungsempfehlung, also etwa Hilfe zur Selbsthilfe oder den Rat, möglichst schnell einen Arzt oder eine Ambulanz aufzusuchen.

Bei Bedarf können die Patienten in einem zweiten Schritt mit einem Arzt sprechen, der eine Diagnose stellen kann. Das unterscheidet das Angebot von den medizinischen Hotlines, die Krankenkassen oder Privatversicherer hierzulande bislang anbieten.

Ein weiterer wichtiger Unterschied sei die telemedizinische Expertise der Mitarbeiter, so Kingreen. In der Schweiz habe die telemedizinische Versorgung schon eine lange Tradition. „Wir glauben, dass wir mit unserem Angebot eine wichtige Nische besetzen.“

Kunden zeigen sich sehr zufrieden

Medi24 könne niedergelassene Ärzte und Krankenhausambulanzen von unnötigen Besuchen entlasten, wirbt der Deutschland-Chef. „Wir ersetzen keine nötigen Arztbesuche, sondern ergänzen das bestehende System.“ Das niedrigschwellige Angebot sei für die Patienten attraktiver und senke die Kosten. „Unser Slogan lautet Wohnzimmer statt Wartezimmer.“

Zurzeit bietet Medi24 nur telefonische Kontaktaufnahme an. „Wir arbeiten aber an einer Lösung für Chat und Video“, versichert Kiogreen. Und sobald in Deutschland die technischen und rechtlichen Grundlagen geschaffen sind, wollen die Medi24-Ärzte auch elektronische Rezepte und Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen ausstellen.

Medi24 beschäftigt 80 medizinische Experten und 30 Fachärzte aus 13 Fachrichtungen. In der Schweiz hat das Unternehmen nach eigenen Angaben seit seiner Gründung vor 20 Jahren fast fünf Millionen Konsultationen erbracht. Die Kundenzufriedenheit liege bei 93 Prozent. Kingreen: „Wir hatten noch keinen einzigen Haftungsfall.“

Deutschland ist für Medi24 der erste Schritt außerhalb des Heimatmarkts. Doch man schaue sich auch „weitere europäische Länder an“.

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