Klage abgewiesen
Pädiater müssen nicht alles erkennen
Eine Kinderärztin erkannte die halbseitige Lähmung eines Jungen in den ersten Lebensmonaten nicht - und sollte deswegen verklagt werden. Das OLG hat die Klage abgewiesen und verweist auf die Schwierigkeiten für Pädiater in der frühen Diagnostik.
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Leichter Patient, schwere Diagnostik: Ein Arzt muss Schäden am frühkindlichen Gehirn nicht zwingenderweise immer erkennen können.
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KÖLN. Niedergelassene Kinderärzte können nicht haftbar gemacht werden, wenn sie bei einem Säugling eine linksseitige Hemiparese nicht erkennen, die aus einem perinatalen Hirnschaden resultiert. Das hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG) in einem rechtskräftigen Urteil entschieden.
Eine niedergelassene Kinderärztin hatte einen Jungen während der ersten zehn Monate seines Lebens behandelt. Bei den U 3- und U 4-Vorsorgeuntersuchungen notierte sie unauffällige Muskeleigenreflexe und regelhafte Lagereaktionen.
Bei der U 5 bestätigte sie bei dem sechs Monate alten Säugling diese Befunde und stellte einen regelrechten Unterarmstütz sowie eine gute Kopfkontrolle fest und empfahl wegen "wenig Drehung Rücken/Bauch" eine Kontrolluntersuchung im Alter von neun Monaten.
Zwei Monate später teilte die Mutter mit, dass ihr Sohn die linke Hand kaum bewege. Die Ärztin notierte, dass bei einem Fortdauern der seitenunterschiedlichen Beweglichkeit unbedingt eine weitere Abklärung notwendig sei. Beim nächsten Termin erwähnte die Mutter nichts über ein Fortbestehen der Auffälligkeiten.
Kein Beleg zum Nutzen
Kurz vor dem ersten Geburtstag des Kindes äußerte eine andere Kinderärztin den Verdacht auf eine linksseitige Hemiparese und verordnete Krankengymnastik. Kurze Zeit später wurde im Krankenhaus eine infantile Cerebralparese vom Typ der spastischen Hemiparese links diagnostiziert.
Der Junge verklagte die Kinderärztin auf 100.000 Euro Schmerzensgeld sowie eine monatliche Schmerzensgeld- und eine Mehrbedarfsrente. Das Landgericht wies die Klage ab, auch in der Berufung vor dem OLG blieb der Kläger erfolglos.
Es habe nicht bewiesen werden können, dass die Ärztin die Symptomatik der Hemiparese, die aus dem später festgestellten Hirnschaden resultierte, hätte erkennen müssen oder sie wegen unzureichender Untersuchungsmethoden verkannt habe, entschieden die OLG-Richter.
Während der Reifung des Gehirns eines Neugeborenen funktionierten die Nervenbahnen erst nach und nach, führten sie aus. Eine Schädigung des noch unreifen Gehirns könne ein unspezifisches Erscheinungsbild aufweisen.
Doch selbst wenn die Diagnose zu spät erfolgt wäre, gibt es nach Einschätzung des OLG keinen Beleg dafür, dass eine früher eingeleitete Therapie den Zustand des Kindes verbessert hätte.
Oberlandesgericht Hamm, Az.: 3 U 162/12