Private Telefonate während Op: Chirurg behält seinen Job

Die soziale Schutzbedürftigkeit eines Arztes ist höher zu werten als die Interessen einer Klinik, entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Mainz.

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MAINZ (mwo). Ein Arzt, der regelmäßig Operationen unterbricht, um private Telefongespräche zu führen, verstößt schwer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und muss auch ohne vorherige Abmahnung mit einer Kündigung rechnen. Doch nicht immer ist eine Kündigung gerechtfertigt, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz entschied.

Im konkreten Fall rettete das LAG einem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Rheinland-Pfalz den Job. Der heute 51-Jährige Chirurg ist verheiratet und hat zwei Kinder von acht und 13 Jahren. Laut Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2005 war er ordentlich nicht mehr kündbar.

2008 erfuhr die Krankenhausleitung davon, dass der Arzt unter anderem mit seiner Frau private Handy-Gespräche führte, während Patienten in Narkose und teils mit offener Operationswunde auf dem OP-Tisch lagen. Nach Zeugenaussagen geschah dies mehrmals täglich für jeweils mehrere Minuten. Das Krankenhaus kündigte dem Arzt.

Kündigungsschutzklage mit Erfolg

Auf die Klage des Chirurgen hob das LAG die Kündigung wieder auf: Eine ordentliche Kündigung sei vertraglich ausgeschlossen, eine fristlose Kündigung aber im konkreten Fall überzogen.

Allerdings habe der Arzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verletzt, befanden die Mainzer Richter. Einem Chirurgen könne es "nur ausnahmsweise erlaubt sein" sein privates Handy während einer Operation überhaupt betriebsbereit zu halten.

Kein Patient müsse eine längere Dauer von Narkose und OP hinnehmen, als medizinisch notwendig. Auch aus hygienischen Gründen seien die Unterbrechungen bedenklich. Aus dem OP-Team sei zudem glaubhaft erklärt worden, die Anrufe hätten Arbeitsablauf und Konzentration erheblich gestört.

"Soziale Schutzbedürftigkeit" hat den Chirurgen gerettet

Dennoch überwiege im konkreten Fall "gerade noch" das Interesse des Chirurgen an seinem Arbeitsplatz gegenüber dem "Beendigungsinteresse" der Klinik, urteilte das LAG.

Zu konkreten Schäden für einzelne Patienten sei es nicht gekommen. Während der OP-Konferenzen sei der Chirurg nie auf seine Privattelefonate angesprochen worden.

Für den Arzt spreche auch seine "soziale Schutzbedürftigkeit", so das LAG weiter. Er sei seiner Familie unterhaltspflichtig, hätte aber angesichts seines Alters und nach einer fristlosen Kündigung kaum Aussicht auf eine neue Stelle.

Az.: 3 Sa 474/09

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 10.07.201120:50 Uhr

Mobiles Telefonieren beim Operieren - der neue Trend

Gab es da nicht mal eine langgediente Verkäuferin, die wegen eines herrenlosen Flaschenpfand-Bons im Wert unter 2 Euro fristlos entlassen wurde und erfolglos vors Arbeitsgericht zog?

Dagegen wirkt ein läppisches privates Telefonat eines Chirurgen über einer offenen OP-Wunde ja geradezu wie eine Marginalie! MfG

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