Protest gegen Stellenabbau in Marburg/Gießen

Am privatisierten Uniklinikum Marburg Gießen sollen bis zu 500 Stellen abgebaut werden. Dagegen organisiert sich nun massiver Widerstand.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Die Mitarbeiter am Uni-Standort Marburg (siehe oben) und Gießen befürten einen massiven Stellenabbau.

Die Mitarbeiter am Uni-Standort Marburg (siehe oben) und Gießen befürten einen massiven Stellenabbau.

© Coordes

MARBURG/GIEßEN. Der drohende Stellenabbau am privatisierten Universitätsklinikum Gießen und Marburg hat eine Welle der Empörung in beiden Städten ausgelöst: Bis zu 500 Mitarbeiter sollen ihren Job verlieren.

Seitdem herrscht nicht nur im Klinikum Wut und Betroffenheit. Mit ungewöhnlich scharfen Worten machen auch die Oberbürgermeister beider Städte, die Universitätspräsidenten und die Wissenschaftsministerin dagegen Front.

In den nächsten Tagen beginnt eine Unterschriftenaktion. Auch eine Demonstration und Aktionen im Internet sind geplant.

"Das Klinikum setzt sich in skandalöser Art und Weise über die vertragliche Verpflichtung zur frühzeitigen Information ihrer universitären Kooperationspartner hinweg", schrieb Hessens Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU).

Um Schaden von der wissenschaftlichen Entwicklung der Hochschulmedizin in Marburg und Gießen abzuwenden, werde sie alle vertraglichen Möglichkeiten ausschöpfen.

"Offenbar geht die Rhön Klinikum AG von einer völlig falschen Renditeerwartung aus", schreiben die Universitätspräsidenten beider Städte, Katharina Krause und Joybrato Mukherjee.

Auch die mittelhessischen Kommunalpolitiker haben wenig Verständnis für das Vorgehen des Krankenhausbetreibers: "Ein Universitätsklinikum darf sich nicht nur am Gewinn orientieren", sagt Marburgs Stadtoberhaupt Egon Vaupel (SPD).

Arbeitnehmer: Klinikum wird gegen die Wand gefahren

Die Rhön AG hatte erst vor zwei Wochen seine Bilanz für 2011 vorgelegt. Danach ist der Konzerngewinn um elf Prozent auf 161 Millionen gestiegen. "Das sind aber die Zahlen des Konzerns", betont Klinik-Sprecher Frank Steibli.

Das Uni-Klinikum habe 2010 einen Gewinn von etwa acht Millionen verzeichnet. Jetzt stehe es angesichts des enormen Kostendrucks vor einem "massiven Problem".

Eine Entscheidung über den drohenden Stellenabbau sei aber noch nicht gefallen, betonte Rhön-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Pföhler: "Unser erklärtes Ziel ist es jedoch, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten."

Dass es nicht nur um den Kostendruck geht, vermutet Ärztevertreter Dr. Franz-Josef Schmitz: "Sonst müssten ja an allen Krankenhäusern massenhaft Entlassungen drohen", sagte er.

Die Mitarbeiter seien zornig, berichtet das Personalratsmitglied: "Wir arbeiten alle am Anschlag." Es gebe eine erschreckende Zunahme von psychischen Erkrankungen unter den Mitarbeitern.

Selbst, wenn Ärzte nicht betroffen seien, werde jeder Personalabbau Folgen für Wissenschaft und Forschung haben. "Jetzt wird die Versorgung noch schlechter werden", beklagt Dr. Susanne Deuker für die niedergelassenen Mediziner von der Gruppe "Notruf 113".

Unterdessen organisieren die Betriebsräte Protestforen: "Wenn 500 Stellen abgebaut werden, wird das Klinikum gegen die Wand gefahren", sagt Betriebsratsvorsitzender des Uni-Klinikums Gießen, Klaus Hanschur.

Die Beschäftigten seien jetzt schon über Gebühr belastet: "Dann ist die Arbeit einfach nicht mehr zu packen", sagt er.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Krankenhaus

DRK-Klinikum Saarlouis stellt Insolvenzantrag

Qualitätssicherung im Krankenhaus

Routine rettet Leben: Wie Mindestmengen die Kliniklandschaft verändern

Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Dr. Birgit Bauer 05.03.201209:48 Uhr

gerechter Lohn !

Wer auf solch dümmliche Ideen wie die Privatisierung von Uni-Kliniken kommt sollte auch dafür Verantwortung tragen. AG´s wollen nunmal Dividente ausschütten um ihre Aktionäre nicht zu verprellen. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen mal mit den seit Jahrzehnten bekannten Mechanismen der Markwirtschaft beschäftigen. Besonders verwerflich ist, das hier das Tafelsilber der Steuer- und Beitragszahler verschärpelt wird.Unter dem Deckmantel der "solidarischen Pflichtversicherung " werden Beitragsgelder direkt in Gewinne umgewandelt. Wann wachen denn unsere politischen Entscheidungsträger endlich mal auf !!!!!
M.f.G. B.Bauer

Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Arzt untersuch das Knie eines Patienten

© gilaxia / Getty Images / iStock

Interview mit Leitlinien-Koordinator

Gonarthrose-Therapie: „Nur wenige Maßnahmen wirken“

Für die Einarbeitung sollten Neulinge eine feste Ansprechpartnerin im Team haben. (Motiv mit Fotomodellen)

© Manu Reyes / Stock.adobe.com

Willkommenskultur

Neu im Team? Was Praxen beim Onboarding beachten sollten