Im Gespräch
Radiologen aus Spanien helfen bei Engpässen in Schweden
EU-Gesundheitskommissar John Dalli war einer der prominentesten politischen Gäste der CeBIT. Welche Bedeutung Telemedizin und Gesundheits-IT für die Europäische Union haben, und was die Institutionen Europas zur Weiterentwicklung der IT beitragen können, erläutert Dalli im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Herr Dalli, es ist sicher mehr als reine Neugier, die Sie hierher ins Herz der digitalen Welt, zur CeBIT führt. Welche Aufgaben hat die Europäische Union bei der Weiterentwicklung der IT im Gesundheitswesen? Muss auch dieser Bereich noch zentralisiert werden?
John Dalli: Telemedizin ist natürlich zunächst einmal Sache der Mitgliedstaaten, da haben Sie recht. Und doch hat auch die EU hier Aufgaben zu erfüllen. Zum einen können wir bei der Weiterentwicklung helfen.
Wir unterstützen viele Projekte in Europa, die die Telemedizin voranbringen. Zum anderen müssen wir dafür sorgen, dass die Entwickler in den einzelnen Ländern miteinander sprechen, damit die Systeme interoperabel sind.
Wenn das nicht geschieht, werden wir eine länderübergreifende Kommunikation im Gesundheitswesen niemals erreichen. Das aber wäre für ein Europa mit immer mobiler werdenden Arbeitskräften und vielen Millionen grenzüberschreitenden Urlaubern kontraproduktiv.
Ärzte Zeitung: Welche gesundheitspolitischen Ziele verfolgen Sie als EU-Gesundheitskommissar mit dem Einsatz von Telemedizin im Gesundheitswesen - einfach nur mehr Effizienz im System?
John Dalli
Aktuelle Position: EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz
Werdegang/Ausbildung: geboren 5. Oktober 1948 in Qormi/Malta, Studium am Malta College of Arts, Science and Technology, Wirtschaftsprüfer
Karriere: verschiedene Tätigkeiten in der Wirtschaft, unter anderem in Brüssel. Parlamentsabgeordneter und Minister in Malta, konservativer maltesischer Politiker
Privates: verheiratet, zwei Töchter
Dalli: Nein, das allein wäre zu wenig. Für mich ist Telemedizin zunächst ein Instrument, um in Zukunft die immer noch herrschende Ungleichheit in der Versorgung etwa zwischen den Ländern im reichen Norden und im armen Südosten der EU ein wenig auszugleichen.
Sehen Sie, für einen Patienten in Rumänien mit einer speziellen Krankheit könnte ein Arzt via Telekonsultation Auskunft bei einem Spezialisten in Frankfurt oder Hannover einholen. Das ist nicht so teuer, bringt aber hohe Versorgungsqualität auch in die Peripherie der EU.
Ärzte Zeitung: Und wo sehen Sie Möglichkeiten der Effizienzsteigerung?
Dalli: An vielen Stellen. Wir brauchen zum Beispiel im Gesundheitswesen Europas in den kommenden Jahren eine Million zusätzliche Arbeitskräfte. Die fehlen erst einmal.
Mit E-Health-Anwendungen können wir helfen, dieses Vakuum zu füllen, wenigstens teilweise. Die neue Technik ermöglicht eine effizientere Versorgung, und das über Grenzen hinweg.
Ärzte Zeitung: Können Sie ein Beispiel nennen?
Dalli: Natürlich! In Schweden gibt es zu wenige Radiologen, in Spanien sind es eher viele. Aber die spanischen Radiologen müssen trotzdem nicht nach Schweden, sondern sie werden über telemedizinische Anwendungen per Datenleitung konsultiert. Das senkt die Kosten, beseitigt Ineffizienzen, auch im Arbeitsmarkt - für mich ist das ein Stück gelebtes Europa.
Ärzte Zeitung: Gibt es für Sie einen europäischen Champion bei der Entwicklung telemedizinischer Anwendungen?
Dalli: Das ist ganz schwer zu beurteilen. Ich habe in Deutschland Projekte mit sehr guter Technik gesehen, aber auch in Finnland und in anderen Ländern. Aber mir geht es auch weniger um Champions.
Wir wollen Transparenz schaffen, den Dialog zwischen den Ländern fördern, damit der Fortschritt möglichst vielen Menschen in Europa zugute kommt.
Ärzte Zeitung: Wo sehen Sie in naher Zukunft die wichtigsten Fortschritte beim Einsatz von IT im Gesundheitswesen?
Dalli: IT ist der Schlüssel für die Entwicklung in vielen Feldern. Die Integrierte Versorgung zum Beispiel wäre ohne den Einsatz von IT gar nicht denkbar.
Und erst vor kurzem ist ja in einer Studie in Deutschland gezeigt worden, dass der Einsatz von Fernüberwachung bei einer bestimmten Gruppe chronisch Herzkranker zu einer Senkung der Sterblichkeit führt - bei gesteigerter Lebensqualität, viel weniger Klinikeinweisungen und bei kürzerer Verweildauer im Krankenhaus.
So etwas erfreut übrigens auch den Finanzminister. Letztlich werden die Effizienzgewinne aus dem IT-Einsatz im Gesundheitswesen helfen, das System trotz aller Belastungen stabil zu halten.
Das Gespräch führte Hauke Gerlof.