Richter geben Apotheker Recht im Zytostatika-Streit

MÜNCHEN (run). Erstmals urteilte diese Woche ein Gericht, dass die Verwendung von Fertigarzneimitteln mit ausländischer Kennzeichnung zur Zytostatikaherstellung in Apotheken nach früherem Recht legal war, wenn ein identisch zusammengesetztes Fertigarzneimittel auch in Deutschland zugelassen war und die Abrechnung nach hiesiger Arzneimittelpreisverordnung erfolgte.

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Das Münchner Landgericht sprach damit einen 40-jährigen Apotheker aus Odelzhausen vom Vorwurf des Abrechnungsbetrugs und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz frei. Der Apotheker war im Zuge der "Holmsland-Affäre" (wir berichteten) angeklagt worden, das Zytostatikum Gemzar® (Gemcitabin) in den Jahren 2006 und 2007 günstig aus dem Ausland bezogen zu haben.

Ein Präparat mit der gleichen Zusammensetzung ist auch für den deutschen Markt zugelassen. Abgerechnet hatte der Apotheker die Zytostatikaherstellung mit dem Preis des deutschen Medikamentes. Durch den Präparateeinkauf aus dem Ausland sparte er Berichten zufolge 60.000Euro.

Ein Verteidiger des Apothekers zeigte zufrieden. Das Gericht habe zu Recht festgestellt, dass kein nicht zugelassenes Fertigarzneimittel, sondern eine Zytostatikarezeptur abgegeben worden ist. "Es wäre etwas anderes gewesen, wenn der Apotheker das Zytostatikumfläschchen mit dem Fertigarzneimittel direkt dem Onkologen gegeben und dieser dann daraus die Infusionslösung hergestellt hätte", sagte er.

Außerdem hätten sowohl die deutschen als auch die ausländischen Präparate den gleichen, zentral in Frankreich hergestellten Wirkstoff enthalten. Die oft kolportierte Aussage, es könne sich möglicherweise auch um gefälschte Arzneimittel gehandelt haben, habe sich weder in diesem noch in irgendeinem ähnlich gelagerten Fall bewahrheitet, betonte der Jurist.

Da die Abrechnung nach dem bis 2009 geltenden Arzneimittelpreisrecht erfolgt sei, das einheitliche Abgabepreise unabhängig von den Einkaufskonditionen festgelegt hat, liege auch kein Betrug vor. Das habe auch das Münchner Gericht so gesehen.

"Den Krankenkassen ist somit kein Schaden zugefügt worden. Die Zytostatikarezeptur entsprach voll und ganz den deutschen Anforderungen. Der Apotheker hat nur einen legalen Einkaufsvorteil genutzt - auch wenn das die Kassen ärgert". Der Einkauf gleicher Qualität zu einem günstigeren Preis sei kein Unrecht, so das Argument des Verteidigers.

Die Staatsanwaltschaft kann Revision beim BGH einlegen. Solange ist das Münchner Urteil noch nicht rechtskräftig. Dennoch hofft der Verteidiger auf eine positive Signalwirkung auf die noch ausstehenden Urteile für andere angeklagte Apotheker, die mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert sind.

Noch im März hatte das Mannheimer Landgericht allerdings anders entschieden und in einem ähnlichen Fall einen Apotheker rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Inzwischen stellt sich das in mehreren noch laufenden und bereits verhandelten Prozessen diskutierte Problem bei der Zytostatikherstellung in Apotheken und der Abrechnung allerdings nicht mehr, da jetzt die spezielle Pharmazentralnummer des verwendeten Fertigarzneimittels angegeben werden muss und dieses die Basis für die Preisberechnung bildet.

Az.: W5 KLs 70 Js 25946/08

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Kommentare
Dr. Turhan Bastug 16.07.201112:57 Uhr

Ich verstehe die Welt nicht,

da die Importfirmen ja auch genau dies tun.Auch die reimportierten Arzneimittel können im Ausland produziert sein. Der einzige Unterschied ist die fehlende bezugnehmende Zulassung. Es gibt ebenfalls Regelungen auf Verschreibung nichtzugelassene Arzneimittel zu importieren. Wenn man endlich die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel reduzieren würde, würden die Arzneimittel auch bei uns billiger.

Egon Manhold 15.07.201117:36 Uhr

Ich wünsche dem Apotheker,

dass das Urteil vom Landgericht München bestand hat!
Interessant wäre natürlich auch, zu welchem Ergebnis eine Klärung durch den Bundesgerichtshof kommt. Warum sind bei uns -im Vergleich zu anderen EU-Ländern- die Arzneimittel so viel teurer.

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