Big Data in der Praxis

Schlüssel für einen Paradigmenwechsel?

Wearables könnten als Therapiehelfer in naher Zukunft eine signifikante Schnittstelle zwischen Patient und Praxis einnehmen. Doch: Kommt hier der Datenschutz zu kurz?

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BERLIN. Technische Geräte für das Gesundheits-Tracking werden immer öfter von immer mehr Menschen genutzt.

 In einer aktuellen Marktanalyse prognostiziert die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC), dass der weltweite Markt für Wearable Devices in diesem Jahr auf einen Wert von 6,3 Milliarden Euro komme und jährlich um 21 Prozent wachse.

Doch: Sind diese digitalen Möglichkeiten treue Assistenten oder Trojaner an unserem Körper? Um diese Problematik ging es vor Kurzem bei einer Diskussionsveranstaltung des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) in Berlin.

Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer, kritisierte dabei, dass die Diskussion über Big Data in der Medizin bisher noch ohne eine erkennbare strukturierte Zielrichtung ablaufe.

Chance für die Forschung

"Big Data wird unser gesellschaftliches Leben komplett umkrempeln. Die Digitalisierung in der Medizin erschlägt uns in ihrer Komplexität", so Bartmann. Derzeit komme man nicht mehr nach, "diese digitalisierte Medizin mit unseren analogen Verwaltungskriterien und Kommunikationsmethoden korrekt zu verwalten".

Big Data liefert nach Ansicht Bartmanns Antworten auf Fragen, die wir bislang nie gestellt haben. Die Chancen bestünden darin, neue Muster in der Entstehung von Krankheiten und in der Behandlung erkennen zu können.

Gleichzeitig würden die Wearables das klassische Verhältnis zwischen Arzt und Patient ändern: "Es ist nicht mehr der Arzt, der Daten beim Patienten erhebt, sondern der Patient bietet ihm Daten an."

Bartmann warnte aber auch , dass negative oder kritische Daten, wenn sie denn überall zur Verfügung stünden, dazu führen könnten, dass Menschen deshalb stigmatisiert und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen würden.

Ministerialdirektor Oliver Schenk vom Bundesministerium für Gesundheit betonte die Notwendigkeit der Digitalisierung im Gesundheitswesen. "Es ist überfällig, dass wir hier endlich Fortschritte erzielen." Es gehe jetzt darum, den Dialog zu führen und Lösungen zu finden.

Schenk: "Dabei denke ich auch an die dringend notwendige Erweiterung des Kataloges abrechnungsfähiger telemedizinischer Leistungen."

Stephan Noller, der mit seinem Start-up ubirch aktuell einen Digital-Tampon namens Trackle zur Zyklusmessung entwickelt, skizzierte laut DIVSI die Zukunft der Wearables.

Heute würden sie meistens von Menschen getragen, die ihren Körper sportlich verbessern wollen oder Anhänger der totalen Selbstvermessung sind. Auf der anderen Seite stünden Nutzer mit Risikokrankheiten, bei denen Wearables in der Telemedizin zur Überwachung von Messwerten eine Rolle spielen.

Entsolidarisierung verhindern

Aktuell arbeiten Unternehmen daran, dass Wearables in den Körper eingelassen werden können.

Noller: "Wearables können im Extremfall Leben retten." Gleichzeitig warnte er vor einer Ausgrenzung der Menschen, die keine Wearables tragen und eben nicht durch gesundes Leben und Laufen die Bonuspunkte ihrer Kassen sammeln können. Solche Entsolidarisierungseffekte müssten energisch bekämpft werden.

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar machte auf die hochproblematischen Nutzungsbestimmungen der Wearables aufmerksam. Fast alle kämen mit einem Blankoscheck auf den Markt, der den Herstellern bereits mit dem Verkauf eines Gerätes alle Nutzungsrechte an den Daten einräume.

Es sei sicher eine tolle Sache, wenn digitale Technik dabei helfe, in Fragen der Gesundheit mehr über den eigenen Körper zu erfahren. "Ich finde es jedoch genauso wichtig, dass man seine Daten-Hoheit auch dann bewahrt", forderte Schaar.

Auf Risiken der Wearables wies auch Kai Burmeister, Teamleiter Versorgung-Verträge der AOK Nordost, hin: "Wir sehen, dass diese digitalen Möglichkeiten derzeit einen Hype auslösen und die Menge an Angeboten immer weniger überschaubar wird."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München
Videosprechstunden bieten Ärzten und Patienten mehr Flexibilität.

© KRY

Videosprechstunde

Mit Telemedizin zu neuen Patienten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: DMS Digital Medical Supply Germany GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant