Neuer Klinikeigentümer
Tarifvertrag sticht Richtlinien
Arbeitsvertragsrichtlinien haben nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes nicht den Rang von Haustarifen. Daher können sie individuelle Lohnzusagen nach einem Betriebsübergang einer Klinik nicht durchbrechen, so das Bundesarbeitsgericht.
Veröffentlicht:ERFURT (mwo). Nach dem Verkauf einer Klinik gilt nicht automatisch das Lohngefüge des Erwerbers. Beschäftigte mit einzelvertraglichen Regelungen, können weiter auf den im Arbeitsvertrag zugesicherten Lohn pochen, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Eine solche individuelle Lohnzusage werde auch durch einen beim Erwerber gültigen Haustarifvertrag nicht durchbrochen. Das gelte auch für die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der jeweiligen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) in kirchlichen Kliniken.
Damit entschied das BAG auch, dass die AVR nicht den Rang von Tarifverträgen haben. Als Konsequenz werden die AVR von den Gerichten wie Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt und unterliegen einer deutlich strengeren gerichtlichen Kontrolle als Tarifverträge.
Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie sind mit zusammen nahezu einer Million Beschäftigten die größten Arbeitgeber in Deutschland.
Ihre AVR werden nicht mit den Gewerkschaften ausgehandelt, sondern in paritätisch besetzten "Arbeitsrechtlichen Kommissionen" beschlossen.
In dem nun entschiedenen Fall gab das BAG mehreren Mitarbeitern des Sankt Elisabeth-Krankenhauses in Oberhausen Recht.
2007 hatte der private Krankenhauskonzern Helios das frühere Caritas-Krankenhaus übernommen. Umstritten war, ob nunmehr der Helios-Haustarifvertrag oder trotz der Übernahme immer noch die Caritas-AVR gelten.
Im Gegensatz zu Tarifverträgen können AVR nicht qua Verbandszugehörigkeit wirken. Sie werden daher immer jeweils einzeln im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Dies gilt als arbeitsvertragliche Inbezugnahme und individuelle Zusage, urteilte nun das BAG.
"Ein Haustarifvertrag kann die einzelvertraglich begründete Anwendbarkeit der AVR Caritas nicht ablösen." Nach dem Erfurter Urteil würde Entsprechendes aber auch gelten, wenn der frühere Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen festen Lohn oder die Bezahlung nach einem anderweitigen Tarif zugesagt hat.
Für die Mitarbeiter des Sankt Elisabeth-Krankenhauses gilt als Konsequenz nun das Günstigkeitsprinzip. Danach können sie sich die für sie jeweils günstigere Regelung aussuchen.
Dabei müssen sie sich nicht für AVR oder Haustarif als Gesamtpakete entscheiden, sondern können für alle tariflich geregelten Bereiche wie Lohn, Urlaub oder Arbeitszeit jeweils einzeln wählen.
Az.: 4 AZR 24/10