Telemedizin ersetzt das Seenotrettungsboot

Kopfschmerzen auf der Hallig. Wer einmal weit draußen in der Nordsee war und die Situation auf den kleinen Eilanden kennt, weiß, dass eine reguläre medizinische Versorgung in einem solchen Fall kaum möglich ist. Telemedizin kann helfen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Telemedizin ersetzt das Seenotrettungsboot

© Foto: Yanik Chauvin www.fotolia.de

Schleswig Holstein ist auf dem Weg der Telemedizin besonders weit vorangeschritten. Das hat Dr. Renée Buck vom Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein auf dem Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg gesagt. Die besondere Lage im ländlichen Norden der Republik machte es nötig "die Daten zu bewegen und nicht die Ärzte und Patienten". Die Situation zwischen den Küsten erfordere derartige Schritte, hieß es.

2,8 Millionen Menschen leben derzeit zwischen Nord- und Ostsee. Im Jahr 2020 werden mehr als 30 Prozent von ihnen älter als 60 Jahre sein. "Diese Entwicklung spiegelt sich natürlich in der Hausärzteschaft wider", so Buck, "schon jetzt sind die Ärzte im Schnitt 55 Jahre alt!"

Zugleich wählen viele Senioren aus ganz Deutschland Schleswig-Holstein als ihren Alterssitz, auch sie brauchen medizinische Versorgung. Im Sommer treiben zudem die vielen Touristen die Bevölkerungszahl auf neue Höhen. In manchen Küstenorten vervierfache sich die Zahl der Bewohner für ein paar Monate. "Das heißt, wir müssen in der Versorgung sehr, sehr flexibel sein", sagte Buck.

Die Zahl der Klinikplätze ist sehr gering

Gleichzeitig fehlt jedoch das Geld. Schleswig-Holstein hat deutschlandweit den niedrigsten Landesbasisfallwert und halte traditionell wenig Krankenhauskapazität vor. "Nur mit der Telemedizin können wir die beginnenden Versorgungslöcher in Nordfriesland oder der Plöner Gegend stopfen," erklärte Buck. "Wir müssen die Medizin zu den Menschen bringen."

Dr. Renée Buck ist überzeugt, dass Schleswig-Holstein mehr Telemedizin braucht.

Dr. Renée Buck ist überzeugt, dass Schleswig-Holstein mehr Telemedizin braucht.

© Foto: cben

Wenn auf einer der winzigen Nordseeinseln, den Halligen, gerade mal 18 oder 20 Menschen leben, "dann kann man sie im Winter eigentlich nur telemedizinisch versorgen." Die betroffenen Eiland-Bewohner verfügen über telemedizinische Module, wie Waagen und Blutdruckmessgeräte, die die Daten aufs Festland funken. "An die Geräte können bei Bedarf auch Ultraschallköpfe angeschlossen werden, oder es kann ein audiovisueller Kontakt hergestellt werden", so Buck.

So könne der Arzt auf dem Festland direkt mit den Bewohnern etwa von Hallig Hooge, Süderoog oder Gröde weit draußen in der Nordsee Kontakt aufnehmen und beraten. "Bei Sturm oder Land unter muss man dann nicht gleich den Hubschrauber schicken oder das Seenotrettungsboot", sagte Buck.

Aber auch in anderen Bereichen setzt Schleswig-Holstein auf Telemedizin. So zum Beispiel verfügt die Fähre Lübeck-Trelleborg über eine Verbindung zum Krankenhaus in Lübeck, um Patienten mit Herzproblemen telemedizinisch behandeln zu können.

Fachärzte nehmen ihr Laptop mit aufs Segelboot

Niedergelassene Fachärzte in und um Flensburg gehen wegen der Selbstverpflichtung "nie ohne meinen Laptop" ihrem Freizeitvergnügen nach, um "bei Bedarf Diagnosen und Bilder auch an Bord ihres Segelbootes betrachten zu können", sagte Buck. Andernorts haben sich fünf Krankenhäuser zu einem telemedizinischen Experten-Netzwerk zusammengeschlossen. Ihre Ärzte arbeiten nun etwa in überregionalen Tumorkonferenzen am Bildschirm zusammen.

Die Anbindung an die Telemedizin könne auch Ärzten, die in der Praxis noch als Einzelkämpfer arbeiteten, helfen. Für sie, so Renée Buck, werde es immer schwieriger, die Praxis zu verkaufen. Wenn sich die niedergelassenen Ärzte jedoch an die Datenautobahnen im Land anschließen, dürfte sich die Situation entspannen.

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