Hintergrund

Unteres Mittelfeld - ist die Ausbildung in Arztpraxen wirklich so schlecht?

Mängel bei den Ausbildungsinhalten, zu viele Überstunden - der DGB-Ausbildungsreport 2008 wirft kein gutes Licht auf die Arbeit mit Azubis in Arztpraxen. Doch ob die Aussage des Reports wirklich mit der Realität übereinstimmt, ist strittig.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

Da haben die Arzthelferinnen mit viel Mühe und Ringen nach Jahren nicht nur eine neue Berufsbezeichnung, sondern auch eine zeitgemäßere Ausbildungsordnung durchgesetzt, und dann kommt dieses Ergebnis. Im aktuellen Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sind die Medizinischen Fachangestellten (MFA) im Gesamtranking von Platz zwei im Vorjahr auf Platz 18 gerutscht.

Der Report soll laut DGB einen Überblick geben, in welchen Berufen Jugendliche eine hochwertige Ausbildung erhalten. Dabei flossen in das Gesamtranking die Bewertungen von Ausbildungsinhalten, fachlicher Anleitung, Ausbildungszeiten und Überstunden, Ausbildungsvergütung sowie die persönliche Beurteilung der Ausbildungsqualität durch die Auszubildenden ein.

Das Dramatische an dem Ergebnis: Für den Ausbildungsreport werden die Azubis selbst und nicht etwa die Praxen befragt. Ist es etwa mit der neuen Ausbildungsordnung für Medizinische Fachangestellte nicht gelungen, für mehr Qualität in der Lehrzeit zu sorgen? Zumal doch extra Bereiche wie Kommunikation und Qualitätsmanagement in die Ausbildung aufgenommen wurden.

Oder sind die Arztpraxen überfordert mit den neuen Inhalten? Denn die MFA-Ausbildungsordnung ist ja erst seit August 2006 in Kraft. Und in den Ausbildungsreport gingen nahezu 75 Prozent Antworten von Auszubildenden aus dem ersten und zweiten Ausbildungsjahr ein (allerdings durch 25 Berufsgruppen hinweg gezählt).

In Lern- feldern zu denken fällt mancher Praxis schwer.

Eine eindeutige Antwort gibt es nicht, selbst beim DGB. René Rudolf, Bundesjugendsekretär der DGB-Jugend, versucht sich an einer Erklä-rung: "Aus der politischen Perspektive heraus hat man schon den Eindruck, dass es mit der Personalsituation im Gesundheitswesen zu tun hat." Daraus ergebe sich ein enormer Druck auf die Auszubildenden selbst, aber auch auf die Beschäftigten in den Praxen. Letzteren stelle sich nämlich die Frage: "Habe ich überhaupt Zeit, mich um die Auszubildenden zu kümmern?" Rudolf räumt allerdings ein, dass im Rahmen des Ausbildungsreports die einzelnen Berufsgruppen nicht nach Gründen für ihre Bewertung gefragt wurden.

Was Sabine Rothe, Präsidentin des Verbands der medizinischen Fachberufe (VMF) besonders aufstößt, ist die Tatsache, dass der DGB die Medizinischen Fachangestellten mit den Pflegeberufen vermischt. Zumindest in den Erklärungsversuchen für den großen Absturz im Gesamtranking bezog sich Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, als sie den Ausbildungsreport in Berlin vorstellte, auf die Stellenstreichungen in den Kliniken. So seien dort in den vergangenen zehn Jahren mehr als 90 000 Stellen gestrichen worden, 50 000 davon allein in der Pflege. Daher sei es nicht verwunderlich, dass sich das auch negativ auf die Qualität der Pflege auswirke. Pflegeberufe und Medizinische Fachangestellte, so der Verband der medizinischen Fachberufe, seien aber zwei Paar verschiedene Schuhe.

Wo Rothe dem Ausbildungsreport zustimmt, ist die Tatsache, dass bei sehr vielen Auszubildenden zur MFA Überstunden anfallen. Immerhin 43,6 Prozent der befragten Azubis in den Praxen geben an, dass sie regelmäßig Überstunden ableisten. Doch das sei nichts Neues: "Die Kolleginnen mussten schon immer viele Überstunden leisten."

Und in noch einem Punkt bestätigt Rothe die Ergebnisse des Ausbildungsreports: Großbetriebe bieten meist eine bessere Ausbildungsqualität als Kleinbetriebe. So geben laut Ausbildungsreport 22,1 Prozent der Befragten aus Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern an, immer oder häufig zu Aufgaben herangezogen zu werden, die sich nicht in ihrem Ausbildungsplan wiederfinden. Bei Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern sind dies nur 8,1 Prozent.

Das liege aber an den unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Betriebe, sagt Rothe. Gerade an die freien Berufe stelle man viele Forderungen, ohne aber Hilfe zu bieten. So könne man in einem Großbetrieb mit vielen Mitarbeitern auch mit dem Berufsverband viel machen. Aber wer komme in eine Arztpraxis mit drei Mitarbeitern?

Woher nun die schlechte Bewertung für die Ausbildungsinhalte kommt - hier stehen die MFA im Ranking auf Platz 25, dem letzten Platz -, versucht Rothe mit den neuen Lernfeldern zu erklären. Bei allem Neuen gebe es Umsetzungsschwierigkeiten. Die Lernfelder, in denen die Auszubildenden jetzt unterrichtet und angelernt werden, sind so eine Neuerung. Einzelne Lernfächer gibt es nicht mehr, sondern nur noch thematisch gebündelte Einheiten. Da müsse man als Ausbilder auch einmal nachfragen, was gerade in der Berufsschule durchgenommen wird und auch in der Arztpraxis theoretisches Wissen vermitteln, sagt Rothe. Dennoch bekomme der VMF viele positive Rückmeldungen. Dass die Ausbildung jetzt anspruchsvoller ist, werde bemerkt.

Als wirklich repräsentativ wertet Rothe den Ausbildungsreport nicht. Der VMF begrüße zwar, dass ein solches Ranking gemacht werde, sieht es aber eher als Denkanstoß, denn als echte Wertung. Es sei jedoch wichtig, erklärt Rothe, bei der Ausbildung genau hinzuschauen. Der Berufsverband will sich noch einmal ganz genau mit dem Ausbildungsreport beschäftigen. Und man müsse auch ganz kritisch sagen, dass nicht jede Praxis für die Ausbildung geeignet sei.

Ausbildungsreport: Wer wurde befragt?

Für seinen Report ging der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Oberstufenzentren- und Berufsschulen. Dort bat er im Rahmen seiner Projekttage Auszubildende, an der Befragung teilzunehmen. Ausgewertet wurden 4725 Fragebögen. In ihnen gaben Jungen und Mädchen aus den, laut Bundesinstitut für Berufsbildung, 25 meist frequentierten Ausbildungsberufen ihre Meinung kund. Darunter waren 189 Auszubildende zur Medizinischen Fachangestellten. Der DGB sagt jedoch selbst, dass man mit dieser Befragung nicht repräsentativ sei.

www.dgb-jugend.de

Lesen Sie dazu auch: Azubis geben Praxen schlechte Noten

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen