Nachwuchs

Warschau macht Ärzte fit

Deutsche Kliniken schauen sich immer mehr nach Ärzten aus dem Ausland um. Hilfe holen sie sich von Agenturen. Sie sollen die neuen Arbeitskräfte für Deutschland fit machen - unter anderem in Warschau.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Gemeinsame Visite: In deutschen Kliniken arbeiten immer mehr ausländische Ärzte. Die Nachfrage ist aber noch nicht so groß wie in anderen Ländern.

Gemeinsame Visite: In deutschen Kliniken arbeiten immer mehr ausländische Ärzte. Die Nachfrage ist aber noch nicht so groß wie in anderen Ländern.

© Matthias Ernert

HEIDE. Ausländische Ärzte gehören in deutschen Kliniken längst zum Alltagsbild. Einige Kliniken wie das Westküstenklinikum (WKK) in Heide lassen die Ärzte erst in einem Warschauer Internat schulen.

In Polen sind die Hierarchien zwischen den Ärzten deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland. In anderen Ländern ist es nicht üblich, dass Mediziner Arztbriefe schreiben oder im Team mit Pflegenden zusammenarbeiten.

Je nach Nationalität unterscheiden sich Ausbildung und Arbeitsabläufe von denen in deutschen Kliniken und Praxen.

Dennoch greifen deutsche Arbeitgeber zunehmend auf ausländische Ärzte zurück. Damit beide Seiten miteinander zurecht kommen, macht das schwedische Unternehmen Paragona Ärzte aus verschiedenen europäischen Ländern in einem mehrmonatigen Kurs in einem Internat fit für das deutsche Gesundheitswesen.

Deutsche Kliniken noch junge Kunden

Die Ärzte stammen etwa aus Griechenland, Rumänien oder Ungarn und haben sich über Paragona bereits bei ihrem künftigen Arbeitgeber in Deutschland vorgestellt. Jetzt liegen einige Wochen Internat in Warschau vor ihnen.

Dort werden sie mit der Sprache, dem deutschen Gesundheitswesen und regionalen Besonderheiten ihres Arbeitgebers vertraut gemacht. Deutsche Kliniken sind bei dem 2002 gegründeten Unternehmen erst in den vergangenen Jahren als Kunden hinzugekommen.

Vorher war die Nachfrage nach Ärzten besonders in Großbritannien, Norwegen und Dänemark groß. Heute kommen die Wünsche verstärkt aus Schweden und Deutschland.

Mitgründer Martin Ratz zufolge haben durch Paragona inzwischen mehr als 1000 Ärzte aus über 30 Fachgebieten einen neuen Arbeitgeber in einem anderen Land gefunden. Nach Deutschland seien bisher weniger als 30 Ärzte vermittelt worden, aber die Nachfrage steige.

Ratz legt Wert darauf, dass Paragona kein Headhunter ist, sondern neben der Vermittlung auch die Schulung übernimmt.

Der Preis hängt davon ab, wie viele Ärzte vermittelt werden und in welchem Umfang geschult werden muss - die geringste Gebühr ist eine vierstellige Summe.

Lothar Bruhn, Personalchef im WKK Heide, hält das Geld für gut angelegt. Sein Haus arbeitet mit Paragona zusammen. Auf die Kosten angesprochen verweist er auf die Summen, die für Stellenanzeigen in Fachmedien ausgegeben werden - ohne Erfolgsgarantie.

Die aber gibt die Vermittlungsagentur. "Wenn der Bewerber während des Trainings abbricht, ist das allein unser Risiko", betont Ratz.

Ausländische Ärzte sind bei Kollegen willkommen

Derzeit sind im WKK Ärzte aus 14 Staaten beschäftigt. Neben drei Letten sind dies ein US-Amerikaner, eine Chinesin, ein Palästinenser, ein Afghane, ein Bulgare, ein Däne, ein Iraner, ein Litauer, ein Rumäne, ein Österreicher, zwei Polen und ein Türke.

Die Nationalitäten verteilen sich über alle Stationen und Kliniken. Bruhn versucht eine Ballung internationaler Ärzte auf einzelnen Stationen zu vermeiden, denn: "Die Patienten reagieren unterschiedlich auf Akzente und fremde Kulturen."

Bei den deutschen Kollegen sind die Ärzte aus dem Ausland nach seinen Erfahrungen willkommen, auch wenn deren Einarbeitung im Einzelfall zumindest am Anfang ihrer Tätigkeit in Deutschland etwas mehr Aufwand nach sich zieht.

Deshalb sollte aus Sicht Bruhns eine Abteilung möglichst zu 80 Prozent mit deutschen Ärzten besetzt sein - wenn dies Stammpersonal ist. Denn nach Bruhns Erfahrungen helfen die ausländischen Kollegen einer Klinik eher weiter als Honorarärzte.

Neben Vermittlungsagenturen, Stellenanzeigen und Headhuntern setzen deutsche Kliniken auf persönliche Kontakte, um auf dem internationalen Markt Ärzte zu finden. Heide etwa nutzt die Dozententätigkeit eines Chefarztes in Riga.

Die Segeberger Kliniken haben ein Fellowship-Programm aufgebaut, das heute von Oberarzt Dr. Mohammed Abdel-Wahab betreut wird. Der Kardiologe war vor sieben Jahren der erste Fellow im Programm der Segeberger. Inzwischen ist der Ägypter einer von derzeit 25 Ärzten mit ausländischer Staatsbürgerschaft in der Klinik. Den Ärzten aus anderen Ländern stehen alle Karrieremöglichkeiten offen.

www.paragona.com

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