Plausiprüfung

Werden MVZ-Ärzte benachteiligt?

Die Plausibilitätsprüfung hat es in sich - und sorgt bei MVZ für Zündstoff. Denn manche KVen legen für angestellte Ärzte schärfere Kriterien an als für Freiberufler. Für die MVZ hat das teils katastrophale Folgen. Jetzt bekommen sie Rückenwind von der bayerischen Rechtsaufsicht.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Wenn die Uhr schneller läuft: MVZ fühlen sich bei der Plausiprüfung benachteiligt.

Wenn die Uhr schneller läuft: MVZ fühlen sich bei der Plausiprüfung benachteiligt.

© Klaus Eppele / fotolia.com

BERLIN. Die KV Bayerns hat Prüfverfahren bei angestellten Ärzten eingestellt, nachdem das bayrische Gesundheitsstaatsministerium Bedenken angemeldet hat.

Die Aufsicht geht davon aus, dass die Plausiprüfungen für angestellte Ärzte mit einer Grenze von 520 Stunden pro Quartal zumindest für den Zeitraum vor der Veröffentlichung des Vorgehens nicht rechtens sind. Es meldet auch rechtliche Bedenken an, ob diese herabgesetzte Grenze in den Prüfungen überhaupt angewandt werden kann.

Ein Schlupfloch öffnet die Aufsicht der KV Bayerns jedoch: Sie verweist darauf, dass die Richtlinie zur Plausiprüfung zusätzliche Prüfkriterien zulässt. Diese müssten aber zusätzlich und nicht anstelle der üblichen Prüfregeln angewandt werden, so der Hinweis der bayrischen Aufsichtsbehörde.

Normalerweise wird ein Arzt mit einer vollen Zulassung bei der Plausibilitätsprüfung auffällig, wenn das Zeitprofil seiner Leistungen mehr als 780 Stunden pro Quartal beträgt. In Bayern, Berlin und Hessen wurden angestellte Ärzte aber bereits aufgegriffen, wenn ihre Leistungen sich auf einen Zeitbedarf von mehr als 520 Stunden im Vierteljahr summierten.

Die KVen dort haben den Prüfungen eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden für angestellte Ärzte zugrunde gelegt. Bei freiberuflichen Ärzten gilt eine Grenze von 60 Wochenstunden als Aufgreifkriterium.

Bayerische Rechtsaufsicht: Prüfung nur ergänzend

Der GKV-Spitzenverband hält diese Auslegung der Plausi-Richtlinie für sehr freihändig. "Aus der Richtlinie ist zu entnehmen, dass der angestellte Arzt entsprechend seiner genehmigten Arbeitszeiten geprüft wird und nicht nach 40 Wochenstunden", so Sprecherin Ann Marini.

Sie verweist auf die Regelungen für Niedergelassene: 40 Wochenstunden seien dort auch keine festgelegte Regelarbeitszeit.

Ähnlich sieht das auch die Rechtsaufsicht in Bayern: Laut Staatsministerium für Gesundheit kann eine solche Prüfung "allenfalls ergänzend" zu den regelhaften Plausi-Prüfungen vorgenommen werden, nicht aber an ihrer Stelle.

Auf den Spielraum, den die einzelnen Regionen bei der Gestaltung der Plausibilitätsprüfung haben, verweist auch die KBV. "Die Richtlinie lässt den KVen einen Spielraum, der dann von diesen interpretiert wird", so KBV-Sprecher Roland Stahl auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

In Berlin und Hessen heißt das: Angestellten Ärzten mit einer vollen Zulassung wird eine Arbeitszeit von 520 Stunden im Quartal anerkannt. Liegen sie darüber, werden sie bei der Plausiprüfung auffällig. Ihre freiberuflichen Kollegen werden erst ab 780 Stunden pro Quartal auffällig.

KV Hessen beruft sich auf Paragraf 8a

Die Folgen des Verfahrens können für Einrichtungen mit angestellten Ärzten fatal sein. Zunächst führt die Verengung des Aufgreifkriteriums dazu, dass angestellte Ärzte schneller auffällig werden als ihre freiberuflichen Kollegen.

Spricht die KV auf der Basis der Plausiprüfung auch Regresse aus, dann kann es zu deutlichen Honorarkürzungen kommen. Denn faktisch stehen angestellten Ärzten ihrem Zeitprofil zufolge dann nur zwei Drittel der Leistungsmenge freiberuflicher Ärzte zu.

Die KV Berlin prüfte mit diesem Verfahren nachweislich für die Jahre 2009 und 2010. Die KV Hessen wendet das Verfahren seit dem dritten Quartal 2008 an und begründet das damit, dass Paragraf 8a der Plausirichtlinie auch vorschreibe, "dass die Abrechnungen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Arztpraxen mit angestellten Ärzten auch daraufhin geprüft werden, ob die für die angestellten Ärzte genehmigten Arbeitszeiten eingehalten worden sind".

Dabei werde individuell geprüft, "ob sich bei einer zeitlichen Überschreitung eine plausible Leistungsabrechnung feststellen lässt".

Der Bundesverband der Medizinischen Versorgungszentren (BMVZ) hält die EBM-Prüfzeiten für ungeeignet, um Arbeitszeiten zu prüfen.

Honorar um ein Drittel gekürzt

Er verweist darauf, dass die gültige 780-Stunden-Grenze sich nicht an der tatsächlichen Arbeitszeit niedergelassener Ärzte orientiere, sondern eine Fiktion sei. Dabei sei eigens ein Puffer vorgesehen, um falsche Auffälligkeiten zu vermeiden.

Für "extrem ungerecht" hält das Sigurd Duschek, einer der geschäftsführenden Vorstände des BMVZ.

"Diese völlig willkürliche Benachteiligung von angestellten Ärzten und damit auch von MVZ ist absolut inakzeptabel", sagte Duschek der "Ärzte Zeitung". Als Ermutigung betrachtet der Verband jedoch das Schreiben der bayrischen Rechtsaufsicht.

Den KVen Berlin und Hessen wirft der BMVZ vor, dass "über den Umweg der Zeitplausibilität die ärztliche Tätigkeit in Anstellung gezielt unwirtschaftlich gestaltet wird". Einrichtungen mit angestellten Ärzten würden im Gegensatz zu Freiberuflern bei gleicher Leistungsmenge mit Regressen bedroht.

Das erwirtschaftete Honorar würde dadurch praktisch um ein Drittel gekürzt. Der BMVZ verweist darauf, dass angestellte Ärzte meist von Verwaltungsaufgaben befreit sind und so im Vergleich zu Niedergelassenen mehr Zeit auf die Patientenversorgung verwenden können.

Außerdem hätten angestellte Ärzte meist den Status leitender Angestellter, für die die engen Grenzen des Arbeitszeitgesetzes nicht gelten. Der Verband fordert Gleichbehandlung. "Wenn zwei das Gleiche tun, müssen sie auch gleichbehandelt werden", sagt BMVZ-Vize Duschek.

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