Zahlenspiele decken Arzteinkommen auf

Reicht die Einnahmenüberschussrechnung aus, um wirklich über die betriebswirtschaftliche Lage einer Arztpraxis informiert zu sein? Zweifel sind angebracht. Nur mit einer sauberen Kosten- und Leistungsrechnung kommt die Wahrheit auf den Tisch.

Von Otto Henker Veröffentlicht:
Welches Ergebnis soll es denn sein: Das betriebswirtschaftliche oder das steuerliche? Ärzte müssen jedenfalls genau rechnen.

Welches Ergebnis soll es denn sein: Das betriebswirtschaftliche oder das steuerliche? Ärzte müssen jedenfalls genau rechnen.

© Gina Sanders / fotolia.com

REUTLINGEN. Verdienen niedergelassene Ärtze zu viel? Oder doch zu wenig? Die Diskussionen um Ärzte-Einkommen reißen nicht ab. Leider werden sie nicht qualifizierter und fundierter, sondern emotionaler und unsachlicher.

Um wieder auf eine sachliche Ebene zu kommen, muss man sich zunächst klar machen, dass auch eine freiberuflich geführte Arztpraxis zunächst einmal ein unternehmerisch geführter Betrieb ist, letztlich eine Betriebswirtschaft.

Nach den Instrumenten der Betriebswirtschaftslehre messen

Es liegt deshalb auf der Hand, dass diese Einheit auch nach den Regeln und mit den Instrumenten der Betriebswirtschaftslehre gemessen, überwacht und gesteuert werden muss.

Top-down berechnete makroökonomische Durchschnittswerte, wie sie leider immer noch an der Tagesordnung sind, nützen dem Einzelnen gar nichts.

Er muss sich Klarheit über seine eigene, mikroökonomische Situation verschaffen und sich mit einer betriebswirtschaftlichen Ergebnisrechnung absichern.

Makro- und mikroökonimischen Rechenwege müssen sich treffen

Den ärztlichen Berufsverbänden und Standesorganisationen ist zu empfehlen, in einer Bottom-up-Berechnung mikroökonomische Ergebnisse ihres Sektors zusammenzufassen und zu verdichten.

Dabei wird es signifikante Abweichungen zu den Top-down-Berechnungen geben, die interessante Zusatzerkenntnisse bringen. Letztlich müssten sich die makro- und mikroökonomischen Rechenwege treffen.

Dabei ist zu beachten, dass das betriebliche Rechnungswesen Methode und Datenquelle für wirtschaftliche Führungsinformationen ist. Auch das Instrumentarium zur betriebswirtschaftlichen Planung, Steuerung und Überwachung - das Controlling - ist das betriebliche Rechnungswesen.

Dieses wird begrifflich oft missverstanden und mit der Rechnungsschreibung, also der Fakturierung, gleichgesetzt. Das Rechnungswesen ist vielmehr die Gesamtheit aller Zahlen und Daten eines Betriebs. Dabei gibt es das externe und das interne Rechnungswesen.

Einnahmenüberschussrechnung (EÜR)

Die EÜR ist eine vereinfachte Form der Gewinnermittlung, wie sie unter anderen Freiberuflern vom Fiskus gestattet ist.

Nur die Einnahmen beziehungsweise Ausgaben sind zu berücksichtigen, die in einem Wirtschaftsjahr eingenommen und gezahlt worden sind. Was nicht berücksichtigt wird, sind Bestandsveränderungen. Die Gewinnermittlung ist damit nicht periodengerecht.

Wenn eine Arztpraxis zum Beispiel von ihrer Substanz zehrt, etwa die Abschreibungen nicht für Neuanschaffungen zurücklegt, dann fällt dies in der EÜR nicht auf.

Externes Rechnungswesen: Dieses dient primär der steuerlichen Gewinnermittlung. Außerdem wird es Banken und anderen Gläubigern gegenüber vorgelegt - zu deren (Gläubiger-)Schutz. Diese zwei Ziele sind konkurrierend.

Beim ersten soll das Ergebnis möglichst niedrig sein, um die Steuerlast zu drücken. Beim zweiten soll das Ergebnis hoch sein, um das Vertrauen des Gläubigers zu gewinnen oder zu erhalten. Das ist der Grund, warum man in südeuropäischen Ländern - früher oder auch heute noch - mit zweierlei Bilanzen unterwegs ist, je nachdem, ob man zum Finanzamt oder zur Bank fährt.

Dadurch wird klar, dass die über das externe Rechnungswesen ermittelten steuerlichen Ergebnisse "gestaltet" sind und somit die wahre wirtschaftliche Lage nicht real und objektiv wiedergeben. Dies kann und soll das externe Rechnungswesen auch gar nicht - erst recht nicht in der Einfachstform der Einnahmenüberschussrechnung (EÜR).

Diese ist (noch) ein steuerliches Privileg für Freiberufler und auch deshalb betriebswirtschaftlich unvollständig und unzulänglich. Oft sind die EÜR bzw. die FIBU oder "BWA" sogar irreführend.

Internes Rechnungswesen: Die betriebswirtschaftliche Wahrheit - ungeschminkt, periodengerecht, vollständig, zeitnah, nachvollziehbar und unwiderlegbar - wird im internen Rechnungswesen ermittelt, das oft auch mit der Funktion "Controlling" gleichgesetzt wird.

Hier geht es nicht um Steuerminimierung oder andere Ergebnisgestaltungen, sondern ausschließlich um betriebswirtschaftliche Transparenz zur Wahrnehmung wirtschaftlicher Verantwortung und zum Schutz vor wirtschaftlichen Risiken.

Nicht ohne Grund wird in mittelständischen und erst recht in Großbetrieben und Konzernen für das interne Rechnungswesen ein zigfach höherer Aufwand betrieben als für das externe Rechnungswesen. Letzteres spielt dort eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

In Kleinbetrieben wie in Arztpraxen verzichtet man dagegen bislang so gut wie vollständig auf das interne Rechnungswesen und vertraut auf die Einfachstbuchführung sowie auf den steuerlichen Berater, der - wie der Name schon sagt - primär das steuerliche Ergebnis ermittelt und in der Regel minimiert.

Dem wird nun häufig entgegengehalten, dass man ja die so genannte betriebswirtschaftliche Auswertung, die "BWA", meist von der DATEV, habe. Diese ist aber nichts anderes als (nur) eine Verdichtung der Finanzbuchhaltung, die wiederum (nur) der Einnahmenüberschussrechnung dient.

Man kann auch sagen, die "BWA" heißt so, weil sie keine ist - jedenfalls ist sie keineswegs mit der hier empfohlenen betriebswirtschaftlichen Ergebnisrechnung (BWER) identisch.

Steuerliche und betriebswirtschaftliche Ergebnisse im Vergleich: Wer in unterschiedlichen Fachgruppen auf Basis von realen Daten die steuerlichen und die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse vergleicht, entdeckt, dass die betriebswirtschaftliche Umsatzrendite deutlich niedriger liegt als die per EÜR ermittelte Prozentzahl.

Bei Ärzten, die einen hohen Privatanteil haben, ist dieser Unterschied nicht ganz so gravierend. Eine betriebswirtschaftliche Ergebnisrechnung nur für GKV-Leistungen würde sogar ein weitaus schlechteres Ergebnis ausweisen.

Eine solche GKV-Ergebnisrechnung kann aber nur mit dem wesentlich tiefergehenden Instrument der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) durchgeführt werden. Die KLR ist die "Königsdisziplin" des internen Rechnungswesens und Controllings und wird in einem späteren Beitrag näher beschrieben.

Otto Henker ist Unternehmensberater und Inhaber der HCR Henker Consulting Medizin GmbH in Reutlingen. Internet: www.henker-con.de

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