Erfolgreich, aber nicht problemlos

Nach adipositaschirurgischen Eingriffen ist eine ernährungstherapeutische Betreuung erforderlich. Das sagt Dr. Klaus Winckler, der solche Patienten seit mehreren Jahren in seiner Praxis betreut.

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Dr. Klaus Winckler Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsmediziner in Frankfurt

ernährung: Herr Dr. Winckler, welche Gewichtsverluste beobachten Sie bei Ihren Patienten nach bariatrischen Operationen?

Dr. Klaus Winckler: Nach einer Magenbypass-Operation können Patienten bis zu 70 Kilogramm Gewicht in einem Jahr verlieren. Am geringsten ist das Körpergewicht meist nach ein bis zwei Jahren, anschließend steigt es wieder ein wenig an, stabilisiert sich dann aber meist.

ernährung: Und welche Ernährungsprobleme beobachten Sie nach dem Eingriff und wie gehen Sie vor?

Winckler: Viele extrem Adipöse sind schon vor der Operation mangelernährt, aber das Problem wird häufig nicht erkannt. Und das verstärkt sich noch danach; denn die Patienten nehmen im ersten Jahr nach der Op meist nur 800 bis 1000 Kilokalorien pro Tag auf. Natürlich verlieren sie dabei entsprechend Gewicht. Allerdings ist es bei dieser Energiezufuhr fast unmöglich, genügend Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe zuzuführen. Und so weisen die Ernährungsprotokolle meist nur 40 Gramm Eiweiß pro Tag aus. Zusätzlich können Probleme je nach Art der Operation auftreten. So verdauen und resorbieren Patienten mit Magenbypass tierische Proteine wegen der fehlenden Magensäure schlechter als früher.

Damit kein Eiweißmangel entsteht, empfehle ich den Patienten, täglich 30 Gramm Protein zusätzlich aufzunehmen, etwa als Eiweißshakes. Ergänzend ist die Einnahme eines Multivitaminpräparats und von Calcium erforderlich. Vitamin B12 muss nach Magenbypass regelmäßig parenteral gegeben werden.

ernährung: Die Operierten müssen ihre Ernährung also umstellen?

Winckler: Ja, das ist äußerst wichtig, aber vielen vorher nicht klar. Nach der Operation können sie nur noch kleine Portionen essen und müssen sich an regelmäßige Mahlzeiten gewöhnen. Viele hatten ja sehr unregelmäßig gegessen. Halten sie sich nicht daran, kann das zu Erbrechen, Schmerzen und Durchfall führen. Patienten mit Magenband müssen sehr viel kauen, jeden Bissen gut 30 Mal, damit die Nahrung passieren kann. Um da zurechtzukommen, sollten sie intensiv beraten und geschult werden. Dafür ist eine Ernährungsfachkraft unerlässlich.

Aber auch die Betreuung vor dem Eingriff ist wichtig. Die meisten sind nicht vorbereitet auf das, was auf sie zukommt - durch die Op erwarten sie ja die Beseitigung aller Probleme. Hier sind die Ernährungsmediziner und Chirurgen gefordert: Sie müssen sich stärker um die Vor- und Nachsorge kümmern.

ernährung: Wie lange betreuen Sie die Patienten?

Winckler: Das orientiert sich am Verlauf und dem Verhalten des Hausarztes. Denn häufig schicken die Hausärzte die Patienten zur Nachsorge wieder in die Klinik oder aber zum Spezialisten. Ich bestelle die Patienten im ersten Jahr vier Mal zur Kontrolle, im zweiten Jahr zwei Mal und dann einmal im Jahr.

ernährung: Immer mehr Kliniken bieten solche bariatrischen Eingriffe an. Wie kann da die Nachsorge langfristig sichergestellt werden?

Winckler: Die Zahl der Eingriffe wird sicher stark ansteigen - bei uns haben ja eine Million Menschen einen BMI über 40 kg/m2. Sicher werden einige chirurgische Zentren die Nachsorge selbst übernehmen. Aber zusätzlich ist eine wohnortnahe Betreuung erforderlich. Da sehe ich große Chancen für alle niedergelassenen Kollegen. Zurzeit entwickelt der Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) ein solches Versorgungskonzept für die Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin. (sf)

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