CED-Patienten: essen, was vertragen wird

Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) erhoffen sich oftmals Tipps von ihrem Arzt, wie sie mit der richtigen Ernährung Magen-Darm-Symptomen vorbeugen können. Tatsächlich gibt es nur wenige feste diätetische Regeln. Die Betroffenen müssen lernen, was ihnen bekommt und was nicht. Wichtig ist vor allem, Untergewicht und Mangelzustände zu vermeiden.

Von Roland Fath Veröffentlicht:

Manche Lebensmittel lösen Bauchkrämpfe bei CED-Betroffenen aus.

Foto: imago, Michael Kempf-, Roman Ivaschenko-, Alain Lavanchy©www.fotolia.de, Montage: ill

Rund 300 000 Deutsche leiden unter Morbus Crohn (MC) oder Colitis ulcerosa (CU), Tendenz steigend. Als Grund für die Zunahme der Erkrankungen werden außer einem genetischen Hintergrund vor allem für westliche Industrienationen typische Umwelt- und Ernährungsfaktoren diskutiert. "Übertriebene Hygiene in der Kindheit und Leben in der Stadt sind Risikofaktoren", sagt Professor Volker Groß, Gastroenterologe am Klinikum Amberg, im Gespräch mit der "ernährung". Rauchen fördert Morbus Crohn und schwere MC-Erkrankungsverläufe; verblüffenderweise schützt Rauchen aber vor Colitis ulcerosa und schweren CU-Verläufen. Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass es bei CED kaum feste Regeln gibt - so auch in vielen Ernährungsfragen.

Diskutiert wird, dass eine Störung der Darmflora oder eine Ernährung mit wenig Ballaststoffen und viel raffiniertem Zucker zur Häufung von CED beitragen könnte. Aber: Es konnte bis heute nicht belegt werden, dass durch eine bestimmte Ernährung CED tatsächlich gefördert werden. Ebenso gilt: "Es gibt zurzeit keine Diät, die den Ausbruch von CED verhindern kann oder die Krankheit alleine besiegt", betont der Arbeitskreis Ernährungstherapie der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV).

Die hohe Bedeutung der Ernährung für Patienten mit CED wird dadurch aber nicht geschmälert. Nach Angaben der DCCV liegt bei etwa zwei Drittel der MC-Patienten und einem Drittel der CU-Patienten das Körpergewicht mehr als 10 Prozent unter dem Normalgewicht. Häufig liegen ein Mangel an Vitaminen und Spurenelementen, eine Anämie oder aber Nahrungsmittelunverträglichkeiten vor.

Untergewicht und Mangelzustände verhindern

Am wichtigsten ist es für CED-Patienten, auf eine ausreichende Kalorienzufuhr zu achten, sodass keine Mangelzustände entstehen, betont Groß, der in der Regel bei seinen CED-Patienten in der Amberger Ambulanz selbst die Ernährungsberatung macht. Empfehlenswert sei eine gesunde ausgewogene Mischkost. "Bei gut genährten CED-Patienten sind Mangelzustände unwahrscheinlich", so Groß und betont: "Eine effiziente Behandlung der Darmentzündung ist zur Vermeidung von Untergewicht am besten."

Allerdings sind gerade bei MC-Patienten mit entzündeten Dünndarmabschnitten und Resorptionsstörungen Mangelzustände häufig schwer zu vermeiden. Zu den größten Problemen zählen Eisenmangel und Eisenmangelanämie, oft auch infolge des Blutverlustes im Darm, sowie Calciummangel und erhöhtes Osteoporoserisiko wegen der regelmäßigen Kortisonstöße bei akuten Schüben, sagt Groß. Werden solche Mangelzustände diagnostiziert, ist eine Substitution indiziert.

Besonders schwierig ist die Ernährung im akuten Schub sowie bei schweren Erkrankungsformen, etwa Darmstenosen oder Kurzdarmsyndrom. Eine ballaststoffarme Schonkost ist zwingend erforderlich, eventuell Trinknahrung und in seltenen Fällen auch eine parenterale Ernährung. Im akuten Schub kann der Heilungsverlauf durch die Ernährung gefördert werden, erläutert Groß, aber nicht so stark wie durch die medikamentöse Therapie.

Nicht selten erschweren Nahrungsmittelunverträglichkeiten die Ernährung von CED-Patienten, vor allem wenn Blähungen, Durchfälle und Bauchkrämpfe im Vordergrund der Beschwerden stehen. "Crohn-Patienten haben überdurchschnittlich häufig eine Laktoseintoleranz", sagt Groß. Deshalb sind bei Patienten mit entsprechender Symptomatik Tests auf Laktose-Unverträglichkeit sinnvoll.

Für CED-Patienten mit Verdauungsproblemen gilt nach Angaben des Gastroenterologen das Gleiche wie für jeden anderen Menschen: "Schwer verdauliche Nahrung wie Hülsenfrüchte, Krautsalat oder fette Speisen vermeiden und individuell herausfinden, was schlecht vertragen wird." Solche allgemeinen Ratschläge reichen aber nach Ansicht von verschiedenen Selbsthilfegruppen nur bei den wenigsten Patienten aus.

"Ernährungsberatung gehört noch nicht regelhaft dazu."

"Viele Betroffene fühlen sich nach unseren Erfahrungen bei Ernährungsthemen von den Ärzten alleine gelassen", sagt Ulla Weidel, Ernährungsberaterin für die CED-Hilfe in Hamburg. "Ernährungsberatung gehört bei der Versorgung der Patienten durch Ärzte immer noch nicht regelhaft dazu", sagt sie.

Allerdings ist die Beratung bei vielen Patienten sehr frustran. "Viele Patienten fragen zwar nach Ernährungstipps, sind aber gar nicht bereit, ihre Gewohnheiten zu verändern", berichtet Andrea Deinhard aus Ilmenau, ehrenamtliche Ernährungs- und Diätberaterin beim Arbeitskreis Ernährungstherapie der DCCV. "Ernährung spielt zwar bei Crohn und Colitis keine Rolle als Auslöser, aber sie ist verantwortlich dafür, wie es den Patienten geht", betont Deinhard. Eine Entzündung könne zum Beispiel durch falsche Ernährungsgewohnheiten verschlimmert werden. "Viele Patienten sind sensibel und merken sofort, wenn sie was falsches gegessen haben."

Nach einem Schub und Schonkost rät Deinhard zur Darmsanierung, zum Beispiel mit Mutaflor®. Das Präparat, das E.coli Nissle enthält, kann bei CU-Patienten in der Remission auch auf Kassenrezept verordnet werden, wenn die übliche Therapie mit Aminosalicylaten nicht vertragen wird. Die Wirksamkeit von E. coli Nissle in einer Dosierung von zweimal 100 mg täglich wurde in der Remissionserhaltung bei CU-Patienten in drei kontrollierten Studien belegt, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrem Therapiekonsensus (Z Gastroenterol 42, 2004, 1002). Bei anderen alternativen Therapien ist die Datenlage uneinheitlich. Für den Einsatz von Plantago-ovata-Samenschalen wird trotz Hinweisen auf eine remissionserhaltende Wirkung bei CU keine allgemeine Therapieempfehlung gegeben, ebenso wenig für den Einsatz präbiotischer Lebensmittel wie Gerstenkeime.

Nahrungsergänzungsmittel bei nachgewiesenem Mangel

Ähnliches gilt bei Morbus Crohn: Wegen fehlender Wirksamkeitsnachweise werden weder Probiotika (E. coli Nissle, Lactobacillus GG und Saccharomyces boulardii) noch Omega-3-Fettsäuren von der Fachgesellschaft zur Remissionserhaltung empfohlen. In der aktuellen S3-Leitlinie (Z Gastroenterol 46, 2008, 1094) am besten bewertet werden Weihrauch (Boswellia serrata) und Eier des Schweinepeitschenwurms (Trichuris suis ovata), und zwar zur Reduktion der Krankheitsaktivität. Beide sind in Deutschland aber nicht zugelassen.

"Nahrungsergänzungsmittel können aufgrund begleitender Mangelzustände bei Morbus Crohn supportiv hilfreich sein", heißt es in der Leitlinie. Eine Substitution mit Vitaminen oder Spurenelementen wird bei CED-Patienten jedoch nur bei nachgewiesenem Mangel empfohlen. Allerdings haben 55 Prozent der CED-Patienten einen Eisen- und 10 Prozent einen Zinkmangel, so die DGVS. Folsäuremangel kann durch Einnahme von Sulfasalazin, Calcium- sowie Vitamin-D-Mangel durch Kortikosteroide entstehen.

Empfohlen wird:

  • Kaffee und Alkohol meiden
  • Regelmäßig Fisch essen (2 - 3x pro Woche)
  • Ballaststoffreiche Kost in der Remission (Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse und Kartoffeln), ballaststoffarme Kost im akuten Entzündungsschub
  • Ausreichend Flüssigkeit zuführen
  • Ausreichende Kalorienzufuhr, Untergewicht vermeiden!
  • Regelmäßige Mahlzeiten, nicht zu große Portionen
  • Austesten, welche Lebensmittel gut vertragen werden! Häufige Beschwerde auslösende Lebensmittel: Weizen, Milchprodukte, Hefe, Mais

INFORMATIONEN

Ratgeber und Broschüren für Ihre Patienten

Für Patienten mit CED gibt es verschiedene Ernährungsratgeber.

"Ernährung bei CED" heißt eine Broschüre der DCCV. Für neu Erkrankte hat die Vereinigung einen Ratgeber mit ersten Tipps und Anregungen für das Leben mit der Erkrankung zusammengestellt. Ein Abschnitt widmet sich der Trink- und Sondenernährung und der allgemeinen Ernährung. Beide sind zu bestellen über info@dccv.de oder www.dccv.de/beratung-information/literatur/dccv-shop.

Eine Reihe mit kostenfreien Broschüren zum Thema "Ernährung bei CED" hat die Falk Foundation erstellt. Diese stehen unter www.drfalkpharma.de/uploads/tx_tocfpshoperw/S84_28-1-07.pdf im Internet zum Download zur Verfügung.

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