HINTERGRUND

Lustlosigkeit und Schlafstörungen deuten auf Burn-out-Syndrom

Von Ursula Gräfen Veröffentlicht:

"Nehmen wir einen engagierten Arzt. Seit Monaten ist er nur noch in der Praxis. Auch am Wochenende arbeitet er. Er hat keine regelmäßigen Mahlzeiten. Seine Frau beklagt sich, sie sehe ihn gar nicht mehr. Er ist total erschöpft und am Rande seiner Kapazitäten. Wenn er so weiter macht, gerät er automatisch in ein Burn-out."

    Wer nicht mehr entspannen kann, braucht eine stationäre Therapie.
   

Der Psychiater Privatdozent Dr. Götz Mundle, Chefarzt an der Oberbergklinik Schwarzwald in Hornberg, hat dieses Beispiel ganz bewußt gewählt. Es zeigt eine Situation, wie sie viele Ärzte kennen. Die Arbeit in der Praxis scheint immer mehr zu werden, es bleibt keine Zeit mehr für die Familie, ganz zu schweigen von Hobbies, wie man sie früher ausgeübt hat.

Die Arbeit frißt einen auf, man ist ständig erschöpft, und nicht mal Schlaf bringt Erholung. Alles zusammen sind das die typischen Warnzeichen für ein Burn-out-Syndrom.

Krank wird, wer sich dauerhaft überfordert

Es ist ein Erschöpfungszustand, ein Syndrom, das auftritt, wenn jemand chronisch über seine eigenen Grenzen hinausgegangen ist. Mundle vergleicht das mit einem Motor, der nur auf den höchsten Drehzahlen läuft: "Wenn ein Motor immer im roten Bereich gefahren wird, hat er eine deutlich kürzere Lebenszeit." Für kurze Zeit im roten Bereich zu fahren, ist kein Problem. Das kann sogar wichtig sein. Entscheidend ist die chronische Überforderung.

Die Symptome des Burn-out-Syndroms sind eher unspezifisch. Die Konzentration läßt nach. Für dieselbe Arbeit benötigt man mehr Zeit als früher. Man fühlt sich lustlos und unruhig. "Man verliert die Lebendigkeit und den Bezug zu sich selbst", so Mundle. Dazu kommen körperliche Symptome wie Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Das kann in eine Depression einmünden und existenzbedrohende Auswirkungen auf die Praxis haben.

Gefährdet sind vor allem leistungsbereite Menschen

"Burn-out bekommen nicht die Exoten, auch nicht die, die einen Knacks haben", sondern gefährdet sind vor allem sehr leistungsbereite Menschen, die einen hohen Anspruch an sich selbst haben. Ärzte haben dazu ein spezielles Problem: Krank zu sein, sei ein Tabu, sagt der Psychiater, der schon viele Kollegen wegen ihres Burn-out-Syndroms behandelt hat.

Ärzte glaubten, sie dürften nicht krank werden, und wenn, dann müßten sie sich selbst helfen. "Ärzte erleben Krankheit als eine Niederlage." Es dauere sehr lange, bis ein Arzt zugebe, er sei überfordert, ist Mundles Erfahrung.

Es gibt viele Kollegen und andere, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten, aber nicht krank werden. "Die wissen, wo ihre subjektive Grenze ist." Krank wird der, der sich nicht klar macht, daß er eine Grenze hat. Denn es sind nicht die äußeren Umstände, die in die Erschöpfung treiben. Es geht um die Art, wie man mit Belastung umgeht. Die Grenzen zur Überlastung sind fließend.

"Es kommt immer zuerst eine Phase, in der es erste Symptome gibt, die übersehen werden", sagt Mundle. Oft erkennen das die Familie, das Praxispersonal oder gar die Patienten eher als die Ärzte selbst. Wenn die Frau etwa sage: "Ich sehe dich gar nicht mehr", oder die Helferin vorsichtig bemerke: "Sie sind so erschöpft", dann müsse man das unbedingt ernstnehmen. Das ist der erste Schritt: sich selbst einzugestehen, daß man seine Grenze überschritten hat.

Dann kann es gelingen, die Erschöpfung wieder in den Griff zu bekommen. Wichtig sind Regenerationsphasen wie regelmäßige Mahlzeiten, statt schnell mal zwischendurch etwas zu essen. Es gehe meist um die kleinen Dinge, auf die man im Alltag wieder achten müsse.

Mundle rät dazu, grundsätzlich an einem Tag oder an zwei Tagen früh aus der Praxis zu gehen und den Abend mit der Familie zu verbringen, Sport zu machen oder ein altes Hobby wieder aufzunehmen. Auch der Austausch mit Kollegen in Balint-Gruppen oder Qualitätszirkeln kann helfen. Und natürlich ist Urlaub sinnvoll.

Erst wenn man es nicht selbst schafft, aus dem Erschöpfungssyndrom herauszukommen und sich zu entspannen, braucht man psychotherapeutische Hilfe. Mundle rät zu einer drei- bis vierwöchigen stationären Therapie. Die Behandlung läuft in drei Schritten ab. "Die erste Phase ist die Erholung", so Mundle.

"Das reicht aber natürlich nicht, denn danach gerät der Patient sofort wieder in das alte Fahrwasser hinein." Der zweite Schritt ist die Analyse, wie es zu dem Burn-out-Syndrom gekommen ist. Der dritte ist die Prophylaxe. "Da geht es um die eigenen inneren Ansprüche und die kleinen Regenerationsphasen, die man in den Alltag einbauen muß."



FAZIT

20 Prozent der Ärzte sollen am Burn-out-Syndrom leiden. Symptome dieses dauerhaften Erschöpfungszustandes sind etwa Lustlosigkeit, Unruhe, Konzentrationsstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und Schlafstörungen. Diese Symptome sind auch die ersten Warnzeichen und sollten ernstgenommen werden. Nötig sind dann kleine Regenerationsphasen wie regelmäßige Mahlzeiten und Zeit für Familie, Sport oder Hobbies. Wer es nicht schafft, aus der Erschöpfung herauszukommen, braucht eine stationäre Therapie.

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