Vorsicht vor Fehldiagnosen

Oft zu schnell akzeptiert: Die erste Idee

Der erste Gedanke ist nicht immer der beste: Wenn im Kopf schon die "falsche" Diagnose steht, wird es schwer, diese zu korrigieren.

Von Roland Fath Veröffentlicht:
Gefährliche Denkfehler: Wer voreilig Schlüsse zieht, kriegt diese meist schlecht wieder aus dem Kopf!

Gefährliche Denkfehler: Wer voreilig Schlüsse zieht, kriegt diese meist schlecht wieder aus dem Kopf!

© Trueffelpix / Fotolia

Wenn ärztliche Fehler unterlaufen, handelt es sich meistens um Fehldiagnosen. Bei der Vermeidung hilft neben Erfahrung auch das Meiden von Denkfehlern: Keine voreiligen Schlüsse ziehen, denn die kriegt man schlecht wieder aus dem Kopf!

Fehldiagnosen

Die Rate an Fehldiagnosen liegt laut Literaturdaten bei 10 bis 15 Prozent, besonders in der Notfallmedizin, der Pädiatrie und der Inneren Medizin.

20 bis 40 Prozent der Autopsien führen zu anderen Todesursachen als ante mortem.

Wahrnehmungsfehler (availability bias) und die hohe Akzeptanz des ersten Gedankens bei der Bewertung eines neuen Falles (premature closure) zählen zu den häufigsten ärztlichen Fehlern in der Diagnostik, sagte Dr. Matthias Janneck, Internist und Nephrologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er warnte beim DGIM-Kongress davor, aus bekannten Symptomen zu schnell Schlüsse zu ziehen und der Ersteinschätzung dann auch bei unvollständigen Puzzleteilen zu vertrauen (overconfidence bias).

Komme ein Patient zum Beispiel mit unklaren Oberbauchbeschwerden in die Notaufnahme, sei es besser, die Beschwerden dann auch genau mit dieser Bezeichnung weiter abklären zu lassen als verfrüht zum Beispiel von einem "Verdacht auf Cholezystitis" zu sprechen. Denn dann entstehe im Kopf der Ärzte bereits ein Muster für den Fall, das schwerer wieder zu korrigieren sei.

"Medical errors" standen in einer US-Studie zur Beurteilung von Todesursachen im Jahr 2013 auf dem dritten Platz, erinnerte Janneck. Dabei handelte es sich nach seiner Überzeugung nicht in erster Linie um schwere Behandlungsfehler, sondern um Diagnosefehler beziehungsweise falsch gezogene Schlüsse, die die richtige Therapie verzögert hätten. Laut Literaturdaten liegt die Rate an Fehldiagnosen bei 10 bis 15 Prozent, besonders in der Notfallmedizin, der Pädiatrie und der Inneren Medizin. 20 bis 40 Prozent der Autopsien führen zu anderen Todesursachen als ante mortem. In einer Studie war bei 100 an Lungenembolie gestorbenen Patienten die Komplikation bei mehr als der Hälfte nicht erkannt worden.

Die zugrunde liegenden Fehler würden repetitiv und systematisch gemacht, sagte Janneck, mangelndes Wissen sei in der Regel nicht die führende Ursache. Vielmehr werde die richtige Diagnose meist nie in Erwägung gezogen. Besonders hoch sei dieses Risiko bei seltenen Erkrankungen.

Janneck schilderte den Fall einer 34-jährigen Patientin mit starken bewegungsabhängigen Schmerzen in der linken Schulter. Als Vorerkrankung bestand ein Morbus Crohn, weshalb die Patientin mit Azathioprin behandelt wurde. Die Bildgebung ergab keinen klaren Befund, die Patientin wurde nach Hause entlassen und sollte sich schonen. Weniger Tage später wurde die Frau als Notfall in die Klinik eingeliefert und starb an einer Meningokokken-Sepsis nach Meningokokken-Monarthritis. "Eine Katastrophe", so Janneck, die vor allem mit der atypischen Manifestation einer seltenen Erkrankung zu erklären sei.

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