HINTERGRUND

Forscher in Deutschland basteln bald am Erbgut gefährlicher Viren

Von Tim Lochmüller Veröffentlicht:

Deutsche Institute werden sich in den nächsten Jahren vermehrt an der Forschung mit gefährlichen Erregern beteiligen. In drei Städten werden dazu Hochsicherheitslabors eingerichtet. In solchen Labors können die Erreger auch genetisch manipuliert werden.

So wurde jetzt an der Marburger Philipps-Universität der Grundstein für das erste deutsche Labor der höchsten Sicherheitsstufe 4 (S4) gelegt. Wie die Universität mitteilt, sollen in der zehn Millionen Euro teuren Einrichtung ab 2007 extrem gefährliche Erreger wie Ebola- oder Lassa-Viren untersucht werden. Derzeit steht den Marburger Wissenschaftlern lediglich ein Labor der Klasse L4 zur Verfügung, in dem aber keine gentechnischen Experimente mit den Erregern gemacht werden dürfen.

Unter denen, die sich besonders auf die neuen Arbeitsräume freuen, ist Professor Hans-Dieter Klenk, Leiter des Instituts für Virologie der Universität Marburg: "Wir haben seit langem darauf hingearbeitet, daß das Hochsicherheitslabor kommt", sagte Klenk.

Geforscht wird auch an Pocken- und Influenzaviren

Ein zweites Labor mit S4-Zulassung soll am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg entstehen. Eine dritte Einrichtung ist für das Robert-Koch-Institut in Berlin geplant. In Europa gibt es ansonsten nur noch in Stockholm in Schweden und in Lyon in Frankreich entsprechend gesicherte Hochsicherheits-Einrichtungen.

Hauptaufgabe der Virologen sei außer der Arbeit mit hoch ansteckenden Viren wie Ebola oder Lassa auch die Forschung an Erregern, die sich für terroristische Anschläge eignen, etwa Pocken-Viren, sagte Klenk. Mit der Arbeit sollen bessere Abwehrmaßnahmen gegen solche Anschläge erforscht werden.

Dazu sei es auch nötig, das Erbgut der gefährlichen Viren für Forschungszwecke zu verändern, was in den bisherigen Labors nicht erlaubt war. "Das schloß viele moderne Methoden aus."

Auch Vogelgrippe-Viren wollen die Forscher in der Hochsicherheits-Umgebung näher untersuchen. Zwar sei für die Viren dieser Tierkrankheit nicht die höchste Sicherheitsstufe nötig, doch wegen des hohen öffentlichen Sicherheitsbedürfnisses wolle man damit lieber in einem S4-Labor arbeiten.

In dem neuen Hochsicherheitstrakt sind Sicherheitsvorkehrungen allerdings kaum anders als in den L4-Labors. Neu sei jedoch, daß statt des Infektionsschutzgesetzes nun das Gentechnikgesetz die Zulassung der Labors regele. Und: Die Labors müssen räumlich von anderen Einrichtungen getrennt werden.

Unterdruck soll verhindern, daß die Keime entwischen

So werden die Forscher künftig abseits der Marburger Innenstadt auf den Lahnbergen in hermetisch abgeschotteten Räumen die gefährlichen Erreger unter die Lupe nehmen. Wie in dem alten Bau soll ein ständiger Unterdruck verhindern, daß mit Keimen kontaminierte Luft nach außen dringt. Der Zugang ist nur über ein komplexes Schleusensystem möglich, die Forscher tragen Schutzanzüge mit einer eigenen Sauerstoffversorgung.

An den Umgang mit tödlichen Erregern sind die Virologen in Marburg schon seit Jahrzehnten gewöhnt: Seit 1967 wird hier an gefährlichen Viren geforscht. Damals waren sieben Menschen an einem zunächst unbekannten Erreger erkrankt und gestorben. Die Wissenschaftler, die den Erreger schließlich identifizierten, nannten ihn Marburg-Virus - nach dem Ort der Entdeckung.

Im vergangenen Jahr gelang es den Marburger Forschern, Antikörper gegen das Sars-Virus zu erzeugen. Bei der Entwicklung eines Lebendimpfstoffes gegen Influenza machten die Marburger ebenfalls Fortschritte. Gemeinsam mit einer internationalen Forschergruppe entwickelte Klenk zudem einen Impfstoff, um Primaten zuverlässig vor Ebola- und Marburg-Viren zu schützen.



FAZIT

In Deutschland gibt es derzeit mehrere Hochsicherheitslabors, in denen gefährliche Erreger wie Ebola- und Lassa-Viren untersucht werden. Dort dürfen die Forscher die Erreger aber nicht genetisch verändern. Nun werden in Hamburg, Marburg und Berlin drei Labors der Sicherheitsstufe S4 eingerichtet. In solchen Einrichtungen sind auch Genmanipulationen an Erregern erlaubt. In den Labors soll ab 2007 auch an Keimen geforscht werden, die sich für Biowaffen eignen. Dies soll helfen, Abwehrmaßnahmen zu entwickeln.

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