Fettgewebe ist mehr als nur ein passiver Lipidspeicher

LEIPZIG (run). Wissenschaftler der Universität Leipzig sind dem Wunsch vieler Menschen nach einem einfachen Weg zur Traumfigur einen kleinen Schritt näher gekommen. Sie haben bei Mäusen entdeckt, daß das Fehlen eines Gens für einen Insulinrezeptor sie - unabhängig von der Futteraufnahme - rank und schlank erhielt. Außerdem lebten sie länger als ihre dicken Artgenossen.

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"Unsere Vision ist nun natürlich, daß wir gezielt im Fettgewebe Rezeptoren wie diesen Insulinrezeptor finden und blockieren, und somit die Aufnahme von Fett ins Gewebe behindern. Aber es wäre viel zu früh zu sagen, daß wir schon an der Entwicklung eines Medikamentes wären", bremst Dr. Matthias Blüher vom Interdisziplinären Zentrum der Universität Leipzig zu große Erwartungen.

Eine unspezifische Blockade des Insulin-Rezeptors, der außer im Fettgewebe auch in anderen Geweben vorhanden ist, würde zu Insulinresistenz und schweren Wachstumsstörungen führen.

Viel viszerales Fett und erhöhte Entzündungsparameter

Bei der Suche nach Faktoren im Fettgewebe, die für die Entwicklung von Adipositas prädisponieren, haben die Leipziger Forscher bereits interessante Entdeckungen gemacht. "Wir haben zum Beispiel in der Expression von Genen sowie im Proteinmuster große Unterschiede abhängig vom Fettdepot gefunden", sagte Blüher im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Patienten mit viel viszeralem Fett hätten zudem häufiger erhöhte Entzündungsparameter, zum Beispiel Interleukin 6 - etwa in den Herzgefäßen - als Dicke mit gleichmäßig verteiltem Fett. Dies könnte erklären, warum vor allem Menschen mit viel viszeralem Fett ein erhöhtes Risiko für Insulinresistenz, für Diabetes-Typ 2 und Herzkrankheiten haben.

"All dies hängt vermutlich mit der erhöhten Kapazität von viszeralem Fettgewebe zusammen, diese Moleküle zu produzieren", so Blüher. "Denn wir betrachten das Fettgewebe inzwischen nicht mehr nur als stummen Fettspeicher, sondern als endokrines Organ, als Drüse, die sehr wohl für Stoffwechselvorgänge im gesamten Körper von Bedeutung ist."

Substanzen, die vom Fettgewebe sezerniert werden, sind zum Beispiel: Adiponectin (assoziiert mit Typ-2-Diabetes), Leptin - das bedeutsamste -, TNF-alpha, IL-6 und IL-10 sowie Resistin; hohe Werte dieser Substanz wurden bei übergewichtigen und insulinresistenten Labortieren und auch bei Menschen gefunden.

Was löst den Appetit aus, was das Sättigungsgefühl?

Spannend, so Blüher, sei es nun, diese Signale aus dem Fettgewebe und die Kommunikation zwischen den Geweben, das "tissue-cross-talk", zu entschlüsseln. Was etwa löst Appetit aus, was ein Sättigungsgefühl, was steuert den Energieverbrauch bei Muskelaktivität? - Das seien nur einige interessante Fragen.

Intensiv werde darüber hinaus nach den genetischen Komponenten für Übergewicht gesucht. Denn daß manche Patienten besonders schnell viszerales Fett bilden und bei gleichem Eßverhalten der eine viel dicker wird als der andere, hängt nach Auffassung von Blüher sicher mit einer genetischen Veranlagung zusammen. "Wir gehen heute davon aus, daß Typ-2-Diabetes und Übergewicht zu 70 bis 80 Prozent vererbt sind. Allerdings stehen wir bei der Suche nach den daran ursächlich beteiligten Genen noch ganz am Anfang."

Würden jedoch diejenigen Menschen, die ein hohes Risiko für Übergewicht haben, frühzeitig erkannt, könnten sie auch ganz anders behandelt und medizinisch betreut werden, so Blühers Vision. "Heute sehen wir sie ja erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist."

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