Weshalb dicke Kinder auf den Hund gekommen sind

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Philipp ist auf den Hund gekommen: Der große schwarze Labrador-Retriever Thimm ist seit sieben Monaten der beste Freund des Neunjährigen aus Wismar. "Der Hund freut sich, wenn er mich sieht, und es macht riesig Spaß, mit ihm herumzutollen."

Dabei trifft sich Philipp nur alle vier Wochen mit Thimm zur Übungsstunde auf dem Wismarer Hundesportplatz. Fünf ausgebildete Therapiebegleithunde helfen dort Kindern beim Abnehmen.

"Im Spiel mit dem Hund bekommen auch übergewichtige Kinder wieder Spaß am Laufen, Toben und Geschicklichkeitstraining", erklärt Bettina Riep. Sie ist Ausbilderin im 1999 gegründeten Verein Wismarer-Therapiebegleithunde. 25 geprüfte Vierbeiner helfen als Ko-Therapeuten in Alten- und Pflegeheimen, Förderschulen, Kitas, Kliniken - eine Seltenheit in Deutschland.

"Studien belegen die positive Wirkung von Tieren auf die Gesundheit des Menschen", erklärt die Vereinsvorsitzende Merwe Helms, OP-Schwester im Wismarer Krankenhaus. Der Umgang mit Hunden könne das Wohlbefinden steigern, soziale Kontakte fördern und Kinder zum Sport motivieren.

Weg vom Computer, zurück zum Spielen im Freien

Auf dem Hundesportplatz rennen Nadine, Luka, Denise und Philipp mit ihren vierbeinigen Freunden um die Wette, werfen Stöckchen, spielen Verstecken. Zur Belohnung gibt‘s Leckerli für die Hunde, Äpfel und Wasser für die Kids. "Ich habe schon über drei Kilo abgenommen", freut sich Philipp. Vor allem aber hat er weg vom Computer und zurück zum Spielen nach draußen gefunden. "Ich fahr jetzt wieder Rad und Inliner, und vielleicht bekomme ich bald einen eigenen Hund."

Die Vereinschefin erklärt: "Zusammen mit dem Kinderarzt und mit Hilfe der Therapiehunde haben wir eine Chance, die Negativ-Spirale bei adipösen Kindern zu durchbrechen."

Nach einer Studie des Instituts für Ernährung und Lebensmittelkunde der Kieler Universität ist fast jeder vierte Schulanfänger in Deutschland zu dick, Tendenz steigend. Ursachen seien vor allem falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. Folge sind Gelenkprobleme, Diabetes oder Hypertonie, an denen oft schon die Kinder leiden.

Tiertherapie bringt auch mehr Selbstbewußtsein

Die über ein Jahr laufende Tiertherapie der Wismarer zielt nicht nur auf eine Gewichtsreduzierung ab, sondern ebenso auf einen Zuwachs an Selbstbewußtsein. Der Hund hilft dabei als "Eisbrecher und Seelentröster", sagt Merwe Helms. "Ich weiß aus eigener Erfahrung, was für Aggressionen und Traurigkeiten sich bei dicken Kindern aufbauen können", sagt sie.

Deshalb entwickelte sie zusammen mit Medizinern, Pädagogen, Ernährungsberatern und Physiotherapeuten das tierische Abspeck-Programm. Interesse gebe es inzwischen bundesweit an der Methode, die auch hyperaktiven Kindern helfen könnte.

Ihren Ursprung hat die Tier-Therapie in den USA. Vor über 30 Jahren gründete sich dafür die Delta-Society. In Europa bietet der Verein Therapiehunde Schweiz eine reglementierte Ausbildung für Hunde und deren Besitzer auf Basis der Prüfungsvorschriften der Delta-Society.

"Wir streben eine ähnliche Standardisierung der Ausbildung in Deutschland an", sagt Merwe Helms. Die Wismarer selbst machten sich in der Schweiz fit für das Training und den Einsatz ihrer Hunde. So nimmt die Ergotherapeutin Cornelia Palow ihre dreijährige Schäferhündin Kaja zur Behandlung von Wachkoma-, Alzheimer- und Schlaganfallpatienten mit. Und Jana Griese ist mit Lara, einer Golden-Retriever-Hündin, gern gesehener Gast in einem Schweriner Altenheim.

Weitere Infos im Internet unter www.wismarer-therapiehunde.de

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