IM GESPRÄCH

Kombination moderner Blutdrucksenker schützt Hypertoniker besser vor kardiovaskulären Ereignissen

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:

Um bei Hypertonikern den erhöhten Blutdruck zu normalisieren, reicht ein Antihypertensivum meist nicht aus. Kombinationen sind heute mehr denn je gefragt. An Möglichkeiten mangelt es nicht.

Welche Option aus dem reichhaltigen Angebot denkbarer Blutdrucksenker-Kombinationen aber ist die günstigste, um nicht nur den Blutdruck effektiv zu senken, sondern auch den klinischen Folgekomplikationen des Bluthochdrucks erfolgreich vorzubeugen? Oder ist die Wahl angesichts fehlender Unterschiede in der Wirksamkeit mehr oder wenig beliebig?

Vergleich von Amlodipin- und Atenolol-gestützter Therapie

Entscheidungshilfen bietet hier seit kurzem die ASCOT-Studie (Anglo-Scandinavian Cardiac Outcome Trial). ASCOT ist nicht nur die größte jemals auf europäischem Boden gestartete Hypertonie-Studie, sondern auch die erste, in der spezifische Blutdrucksenker-Kombinationen auf ihre Tauglichkeit zur Prävention von KHK-Ereignissen bei Hypertonikern ohne manifeste Gefäßerkrankung untersucht worden sind.

Nach Bekanntgabe noch vorläufiger Resultate im Frühjahr sind die ASCOT-Endergebnisse jüngst beim Kongreß der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Stockholm zeitgleich mit der Publikation im Fachblatt "Lancet" präsentiert worden.

Am Hauptergebnis hat sich auch nach inzwischen abgeschlossener Auswertung der kompletten Daten nichts geändert: Danach ist die häufig verordnete Kombination aus Betablocker und Diuretikum wohl nicht das beste Therapieregime, um Hypertoniker vor KHK-Ereignissen zu schützen.

Wesentlich effektiver ließ sich in ASCOT schwerwiegenden Koronarereignissen vorbeugen, wenn initial mit dem Kalziumantagonisten Amlodipin behandelt und bei Bedarf der ACE-Hemmer Perindopril hinzugegeben wurde.

An ASCOT waren 19 275 Patienten mit Hypertonie und mindestens drei weiteren Risikofaktoren (jedoch ohne KHK-Zeichen) beteiligt. Sie sind zur Hälfte initial entweder mit Amlodipin oder dem Betablocker Atenolol behandelt worden.

Um die Blutdruckzielwerte (< 140/90 mmHg; bei Diabetikern: < 130/80 mmHg) zu erreichen, konnte Amlodipin bei Bedarf mit Perindopril sowie Atenolol mit einem Thiaziddiuretikum kombiniert werden. Am Ende der im Mittel 5,5jährigen Studiendauer erhielt die Mehrzahl der Patienten (78 Prozent) mindestens zwei Antihypertensiva.

Im primären Endpunkt (Häufigkeit von nichttödlichen Myokardinfarkten und tödlichen KHK-Ereignissen) bestand nur ein nicht signifikanter Unterschied zugunsten der Amlodipin-gestützten Therapie (Reduktion: 10 Prozent). Dieser scheinbare Schönheitsfehler dürfte sich allerdings wohl daraus erklären, daß aufgrund des vorzeitigen Studienabbruchs die Zahl primärer Ereignisse um fast 250 unter der Zahl blieb, von der man bei der biometrischen Planung ausgegangen war, und somit keine ausreichende Teststärke gegeben war.

Dagegen resultierten aus nahezu allen übrigen Analysen Unterschiede, die einen auch das statistische Kriterium der Signifikanz erfüllenden Vorteil der Amlodipin-gestützten Therapie belegen. So wurde im Vergleich zu Atenolol-basierten Therapie unter anderem

  • die Rate aller koronaren Ereignisse um 13 Prozent,
  • die Gesamtsterblichkeitsrate um 11 Prozent,
  • die kardiovaskuläre Sterblichkeitsrate um 24 Prozent,
  • die Rate tödlicher und nichttödlicher Schlaganfälle um 23 Prozent gesenkt.

Auch mit Blick auf instabile Angina pectoris oder PAVK fiel die Bilanz der Ereignisse zugunsten der Behandlung mit den beiden moderneren Blutdrucksenkern aus. Dies gilt ebenso für die Inzidenz von neu aufgetretenem Diabetes mellitus, die signifikant um 30 Prozent niedriger war.

Überlegenheit nicht allein mit Blutdruckdifferenz zu erklären

Ein Knackpunkt in künftigen Diskussionen über die ASCOT-Resultate wird die Frage sein, in welcher Beziehung die Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit zu Unterschieden in der Blutdrucksenkung stehen. Tatsächlich ist der Blutdruck in der Gruppe mit Amlodipin/Perindopril-Kombination im Mittel um 2,7/1,9 mmHg stärker gesenkt worden als in der Vergleichsgruppe.

Liegt darin schon die ganze Erklärung für die Überlegenheit dieses Therapieregimes in der KHK-Prävention? Nein, meinen zumindest die ASCOT-Autoren. Sie haben in einer separaten Analyse zu klären versucht, in welchem Maße Unterschiede beim Blutdruck und anderen Variablen (etwa HDL-Cholesterin, Triglyzeride und Glukosespiegel) Auswirkungen auf das klinische Ergebnis in beiden Studienarmen gehabt haben könnten.

Wie Professor Neil Poulter in Stockholm berichtete, sind nach dieser Analyse nur bis zu 15 Prozent des Unterschieds bei den Koronarereignissen und bis zu 30 Prozent des Unterschieds bei Schlaganfällen mit den aufgetretenen Blutdruckdifferenzen erklärbar. Als alleinige Erklärung für die klinische Überlegenheit der Amlodipin-gestützten Therapie scheidet der Unterschied im Blutdruck damit nach seiner Einschätzung aus.



FAZIT

Nach den Ergebnissen der ASCOT-Studie macht es für die Primärprävention mit Antihypertensiva einen Unterschied, womit der Blutdruck gesenkt wird. Die Amlodipin-basierte Therapie (plus Perindopril bei Bedarf) schnitt in der Wirkung auf Morbidität und Mortalität deutlich besser ab als eine Betablocker/Diuretikum-Therapie. Über die Gründe für diese Überlegenheit wird wohl noch viel diskutiert werden. Die etwas stärkere Blutdrucksenkung kommt nach Ansicht der ASCOT-Autoren als alleinige Erklärung jedenfalls nicht in Frage.

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