Was bei der Blutdruckmessung am Arm alles unentdeckt bleibt

Mit Blutdruck ist üblicherweise der per Manschette am Arm gemessene periphere Blutdruck gemeint. Dieser Blutdruck spiegelt aber nicht notwendig die Hämodynamik im gesamten arteriellen Gefäßsystem wider. Unterschiedliche Effekte von Blutdrucksenkern auf den herznahen Blutdruck bleiben bei alleiniger Messung des peripheren Blutdrucks offenbar unentdeckt. Darauf lassen Daten einer Substudie der ASCOT-Studie schließen.

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Peter Overbeck

Bei jeder Kontraktion des Herzens wird nicht nur Blut ausgeworfen. Es entsteht auch eine Druck- oder Pulswelle. Diese Pulswelle breitet sich entlang den Arterien bis in die Kapillaren aus.

An Orten mit unterschiedlichen Wellenwiderständen wird die Pulswelle reflektiert. Die entstehende Pulswellenform setzt sich aus der in periphere Richtung laufenden und der reflektierten Pulswelle zusammen.

Die Pulswellengeschwindigkeit ist durch die Elastizität der Arterien bestimmt: Je elastischer die Gefäße, um so langsamer, je steifer die Gefäße, um so schneller breitet sich die Pulswelle aus. Bei langsamer Geschwindigkeit erreicht die reflektierte Pulswelle die Aorta ascendens erst in der Diastole. Dadurch steigt der diastolische Druck und damit auch die Koronarperfusion.

Bei steiferen Gefäßen kehrt die reflektierte Pulswelle aufgrund der höheren Geschwindigkeit noch während der Systole in die Aorta zurück und pfropft sich auf die durch den kardialen Auswurf entstandene Pulswelle auf, die dadurch erhöht (augmentiert) wird. Der sogenannte Augmentations-Index läßt sich nutzen, um die Gefäßelastizität zu beurteilen.

Die durch Pulswellenreflektion veränderte Hämodynamik in herznahen Gefäßen wird mit der Blutdruckmessung am Arm nicht erfaßt. Zu vermuten ist, daß auch potentiell unterschiedliche Effekte von Antihypertensiva auf Gefäßdehnbarkeit und Pulswellenreflektion, die sich auf den zentralen Blutdruck auswirken, im peripheren Blutdruck nicht zum Ausdruck kommen.

ASCOT in Kürze

In der ASCOT-Studie ist bei fast 20 000 Patienten mit Bluthochdruck und weiteren Risikofaktoren – jedoch ohne KHK – eine Amlodipin-gestützte Therapie (plus Perindopril bei Bedarf) mit einem Atenolol-basierten Regime (plus Diuretikum bei Bedarf) verglichen worden. Etwa 10 300 Teilnehmer (Gesamtcholesterin < 250 mg/dl) erhielten zusätzlich den Lipidsenker Atorvastatin (Sortis®, 10 mg/Tag) oder Placebo. In beiden Studienarmen ging es primär um den Einfluß auf nicht-tödliche Myokardinfarkte und tödliche KHK-Ereignisse.

Der Lipidsenker-Arm der Studie ist 2002 aufgrund der signifikanten Reduktion von Koronarereignissen (um 36 Prozent) und Schlaganfällen (um 27 Prozent) durch Atorvastatin nach nur 3,3jähriger Beobachtungs-dauer vorzeitig gestoppt worden. Der zunächst fortgesetzte Blutdrucksenker-Arm fand 2004 nach 5,5jährigem Follow-up ebenfalls ein vorzeitiges Ende. Grund war der signifikant günstigere Einfluß der Amlodipin-basierten Therapie auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität.

Ausgehend von dieser Vermutung haben die Initiatoren der ASCOT-Studie die Substudie CAFE (Conduit Artery Function Evaluation) geplant. In ASCOT konnte gezeigt werden, daß eine Amlodipin-gestützte Therapie (plus Perindopril bei Bedarf) einem Atenolol-basierten Regime (plus Diuretikum bei Bedarf) im Einfluß auf Mortalität und Morbidität signifikant überlegen war.

In der Substudie CAFE ist bei 2199 der fast 20 000 ASCOT-Teilnehmer der Blutdruck am Arm wie auch zentral in der Aorta ascendens gemessen worden.

Der zentrale Aortendruck ist ein genaueres Maß für die tatsächliche hämodynamische Belastung des Herzens. Gemessen wurde er nicht-invasiv mit Hilfe der Pulswellenanalyse.

Aus der peripher über der Radialis-Arterie abgeleiteten Pulsdruckkurve werden dabei mittels einer generalisierten Transfer-Funktion Pulswellenform und Blutdruck in der Aorta berechnet.

In beiden Gruppen unterschieden sich die Arm-Blutdruckwerte nicht wesentlich. Im Gegensatz dazu beeinflußten beide Blutdrucksenker-Regime den zentralen Aortendruck in unterschiedlicher Weise.

So hatte Amlodipin trotz gleichen Arm-Blutdrucks die günstigere Wirkung auf den herznahen Blutdruck in der Aorta: Der zentrale systolische Aortendruck war um 4,3 mmHg und der zentrale Pulsdruck (= Blutdruckamplitude) um 3,0 mmHg niedriger als in der Atenolol-Gruppe, berichtete Professor Bryan Williams aus Leicester.

Der konventionell gemessene Blutdruck "überschätzt den hämodynamischen Effekt der Atenolol-basierten Therapie und unterschätzt den Effekt der Amlodipin-gestützten Therapie auf den zentralen Aortendruck", so Williams.

Der zentrale Aortendruck stand in signifikanter Beziehung zur Häufigkeit von kardiovaskulären und renalen Ereignissen.

Williams hält es deshalb für plausibel, daß die stärkere Reduktion von Morbidität und Morbidität durch das Amlodipin-basierte Therapieregime zumindest partiell auf die günstigere Veränderung des zentralen Blutdrucks zurückzuführen ist.

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