Sensible Spermien

Alltägliche Chemikalien schaden dem Sperma

In einer Studie an menschlichen Spermien haben Forscher schädliche synergistisch Effekte von Alltagschemikalien festgestellt. Problematisch: Die Einzelstoffe potenzieren ihre schädliche Wirkung gegenseitig.

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Kleinste Mengen von alltäglichen Chemikalien stören die männlichen Keimzellen.

Kleinste Mengen von alltäglichen Chemikalien stören die männlichen Keimzellen.

© vectorfusionart / stock.adobe.com

MÜNSTER. Hormonell wirksame Alltagschemikalien könnten mitverantwortlich sein für Fruchtbarkeitsstörungen. Forscher haben diese Chemikalien unter die Lupe genommen. Das Fazit: Kombiniert man die Chemikalien, addieren sich die Einzelwirkungen nicht nur, sondern sie verstärken sich gegenseitig, berichtet die Uni Münster in einer Mitteilung.

Sie verstecken sich in Lebensmitteln, Plastik, Textilien und Kosmetika: hormonell wirksame Alltagschemikalien. Diese Chemikalien imitieren unter anderem die Wirkung weiblicher Hormone, die das Schwimmverhalten von Spermien im Eileiter steuern.

Dadurch beeinträchtigen sie die Funktion der Spermien und könnten so mitverantwortlich sein für Fruchtbarkeitsstörungen, die in der westlichen Welt immer häufiger auftreten. Das deutsch-dänische Team mit Beteiligung des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Uni Münster hat die Chemikalien nun noch detaillierter untersucht (Hum Reprod 2018; online 5. September).

Spermien beeinträchtigt

Über Alltagsprodukte nehmen Menschen täglich kleinste Mengen verschiedener endokriner Disruptoren auf. Trotz der geringen Konzentration der einzelnen Komponenten reagieren Spermien sensibel auf solche Chemikalien-Cocktails. Die Forscher konnten diesen Effekt genauer entschlüsseln.

"Das Ergebnis unserer Studie lässt sich recht einfach zusammenfassen", wird Studienleiter Dr. Christoph Brenker in der Mitteilung zitiert: "Kombiniert man die Chemikalien, addieren sich die Einzelwirkungen nicht nur, sondern sie verstärken sich gegenseitig beträchtlich".

Die Forscher konnten zudem zeigen, dass auch weibliche Hormone synergistisch auf Spermien wirken. "Die synergistische Wirkung der endokrinen Disruptoren resultiert daraus, dass sie die Hormone perfekt imitieren – einschließlich ihres synergistischen Zusammenspiels", so Brenker.

Grenzwerte zu niedrig

Regelmäßig wird darüber diskutiert, inwieweit die Verwendung hormonell wirksamer Chemikalien in Alltagsprodukten eingeschränkt werden sollte. Bislang werden Grenzwerte für jede Chemikalie einzeln bestimmt.

Angesichts der Erkenntnisse darüber, dass sich die Chemikalien in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken können, unterschätzt die Gefährdungsbeurteilung vermutlich das Gefahrenpotenzial von endokrinen Disruptoren – denn tatsächlich hat man synergistische Wirkungen der Alltagschemikalien nicht nur in Spermien, sondern auch schon in anderen Zellen und Geweben beobachtet, heißt es in der Mittelung der Uni Münster.

Die Autoren wollen nun an künstlichen Modellen des Eileiters noch genauer untersuchen, wie die weiblichen Hormone das Schwimmverhalten beeinflussen und wie die Chemikalien die Chemie der Befruchtung stören. (eb)

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