Genforschung

Schusseligkeit liegt in der Familie

Nun können sich auch schusselige Menschen mit dem Hinweis auf ihre Gene entschuldigen und sich dabei auf Forscher aus Bonn berufen.

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BONN. Schlüssel verlegt? Namen vergessen? Stoppschild übersehen? Wer häufig unter solchen Schusseligkeiten leidet, kann nun eine Erklärung dafür bieten: Psychologen der Universität Bonn haben einen Zusammenhang zwischen dem Gen DRD2 und alltäglichen Aussetzern nachgewiesen.

Wer über eine Variante dieses Gens verfügt, lässt sich leichter ablenken und ist häufiger unaufmerksamer, so eine Mitteilung der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Neuroscience Letters 2014, online 2. März).

Kurzzeitige Aussetzer treten bei manchen Menschen gehäuft auf, wird Professor Martin Reuter von der Universität Bonn in der Mitteilung zitiert. Sie können zur Gefahr werden, wenn zum Beispiel ein Stoppschild übersehen wird, oder im Beruf problematisch sein, wenn man etwa vergisst, eine wichtige Datei abzuspeichern.

"Eine familiäre Häufung der Fehleranfälligkeit lässt vermuten, dass bei diesen Aussetzern genetische Einflüsse vorliegen", sagt Erstautor Dr. Sebastian Markett aus Reuters Team.

Die Wissenschaftler haben im Labor schon vor längerem Hinweise gefunden, dass das "Dopamin D2 Rezeptor-Gen" (DRD2) an der Vergesslichkeit beteiligt ist. DRD2 spielt eine Rolle bei der Signalweiterleitung in die Stirnlappen.

"Diese Struktur ist mit einem Dirigenten vergleichbar, der das Gehirn als Orchester koordiniert", führt Markett aus. Das DRD2-Gen entspricht in diesem Bild dem Taktstock, weil es an der Dopaminbindung im Gehirn beteiligt ist. Gibt der Taktstock zwischendurch den falschen Tempus vor, kommt das Orchester durcheinander.

Speichelproben von 500 Frauen und Männern untersucht

Die Psychologen untersuchten Speichelproben von 500 Frauen und Männer molekularbiologisch. Das DRD2-Gen liegt in zwei Varianten vor, die sich in einer Base unterscheiden: Die eine enthält Cytosin, die andere Thymin. Rund ein Viertel der Probanden verfügt ausschließlich über das DRD2-Gen mit der Nukleinbase Cytosin, drei Viertel haben mindestens eine Thyminbase.

Per Fragebogen sollten die Probanden die Häufigkeit von Schusseligkeiten einschätzen: Wie oft werden Namen vergessen, wie häufig wird der Schlüssel verlegt? Außerdem wurden Faktoren zur Impulsivität abgefragt: Wie leicht lassen sich die Testpersonen von ihren Aufgaben ablenken? Wie lange können sie sich konzentrieren?

Mit statistischen Methoden ergab sich, dass Aufmerksamkeit und Gedächtnis bei der Thymin-Genvariante schlechter sind als beim Cytosin-Typ. "Der Zusammenhang ist deutlich: Solche Aussetzer lassen sich zum Teil an dieser Genvariante festmachen", berichtet Markett.

Probanden mit der Thymin-DRD2-Variante sind nach eigenen Berichten vergesslicher und unaufmerksamer. Umgekehrt scheint der Cytosin-Typ davor zu schützen. "Dieses Ergebnis deckt sich sehr gut mit den Resultaten anderer Studien", so der Psychologe.

Ausreden gelten trotzdem nicht ganz: "Man kann sich Merkzettel schreiben oder mehr anstrengen, den Haustürschlüssel nicht irgendwo, sondern an einen bestimmten Platz aufzubewahren." Wer sich solche Strategien für die unterschiedlichen Lebenslagen zurechtlege, könne besser mit seiner Schusseligkeit umgehen. (eb)

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Kommentare
Dipl.-Psych. Antje Kräuter 20.03.201414:44 Uhr

Die Mehrheit schusselig?

Wenn dreiviertel der Probanden mindestens eine Thyminbase haben und schlechter in Aufmerksamkeit und Gedächtnis sind- dann ist das ja die Mehrheit! Ich denke, dass man gezielt nach dissoziativen (Mini)aussetzern bei Personen mit early life stress oder späteren Traumatisierungen suchen sollte! Besonders in der frühen Kindheit sind Gehirne verwundbar und prägbar. Das auch, wenn Babys in unserer westlichen Kultur nicht mehr artgerecht behandelt werden. (Siehe www.frühe-kindheit.net zum early life stress).

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