Hintergrund

Defekter Gelenkknorpel soll regenerieren - das Ziel neuer Op-Techniken bei Arthrose

Häufige Auslöser von Knie-Arthrosen sind Traumata. Als Tissue-Engineering zur Therapie bei Knorpeldefekten hat sich nur die autologe Knorpelzelltransplantation etabliert. Erfolgversprechend, wenn auch erst im experimentellen Stadium, sind Gentherapien, die durch Einschleusen von Wachstumsfaktoren die Bildung hyalinen Knorpels anregen sollen.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Arthrosen manifestieren sich am häufigsten im Knie. Läsionen, etwa beim Sport, können vorzeitig zum Gelenkverschleiß führen.

Arthrosen manifestieren sich am häufigsten im Knie. Läsionen, etwa beim Sport, können vorzeitig zum Gelenkverschleiß führen.

© Foto: imago

In Deutschland sind etwa fünf Millionen Menschen an Arthrose erkrankt. Charakteristisch ist eine zunehmende Degeneration des Knorpels in stark beanspruchten Zonen des Gelenks. Am häufigsten ist aufgrund seiner Anatomie und der besonderen Anforderungen eine Arthrose des Knies.

Ursachen sind Störungen im Gleichgewicht kataboler und anaboler Reaktionen. Das Risiko für eine Arthrose nimmt mit fortschreitendem Alter zu, außerdem mit steigendem Körpergewicht, unphysiologischer Geometrie wie Fehlstellungen und Achsabweichungen und mit Verletzungen. Traumata beim Sport seien ein Grund für den deutlichen Anstieg der Zahl von Arthrose-Patienten in Deutschland in den vergangenen Jahren, sagte Professor Georg Duda vom Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie in Köln. Auch kleinere Läsionen können altersvorauseilend zu großflächigen Arthrosen führen. Der Gelenkverschleiß beginne am Unfalltag. Er lasse sich nur durch rasche und optimale Rekonstruktion vermeiden, sagte Duda.

Eine Therapieoption ist die Mikrofrakturierung. Dabei wird die dem Knorpel anliegende Knochenlamelle arthroskopisch angebohrt, um Blut und mesenchymalen Stammzellen den Weg in den Defektbereich zu bahnen. Dort baut sich in den folgenden Monaten Ersatzfaserknorpel auf, der sich allerdings biologisch und histologisch vom ursprünglichen, hyalinen Knorpel unterscheidet. Er kann den Patienten für fünf bis acht Jahre beschwerdefrei machen. Vorteil der Mikrofrakturierung ist, dass sie bei einer Gelenkspiegelung erfolgen kann, das Infektionsrisiko gering ist und die Haut gut abheilt.

Ein höherer Anteil hyalinen Knorpels im defekten Bereich lässt sich durch die Knorpel-Knochen-Transplantation erreichen. Dabei werden Knorpel-Knochen-Zylinder aus geringer belasteten Gelenkregionen in das geschädigte Areal transferiert. Umschriebene Läsionen auch des subchondralen Knochens und eine Größe von ein bis drei Quadratzentimetern seien eine typische Indikation, sagte Duda. Allerdings könne es Entnahmeschäden geben.

Die autologe Knorpelzelltransplantation (ACT), vor allem die modernste Variante, die matrixgestützte ACT (M-ACT), erlaube es, auch größere, isolierte Defekte (bis zu zehn Quadratzentimetern) mit hyalinem Gelenkknorpel biologisch zu rekonstruieren. Allerdings sei die Frage noch offen, ob es sich um stabiles, hyalines Ersatzgewebe handele, so Duda. Bei der ACT wird einer gesunden, unbelasteten Region des Gelenks Knorpel arthroskopisch entnommen und im Labor kultiviert. Bei der M-ACT werden die Zellen des Patienten in eine Biomatrix, meist auf Kollagenbasis, eingegossen und in einem Speziallabor für zwei bis drei Wochen vermehrt. Das Transplantat wird exakt in den Knorpeldefekt des Patienten eingepasst und am Rand mit Fibrinkleber fixiert. Schon zwei Tage nach Implantation wird das Knie passiv bewegt, nach etwa drei Monaten normal belastet und nach drei weiteren ist leichter Sport wie Radfahren oder Schwimmen möglich (Orthopädie & Rheuma 1-2, 2008, 51).

In Erprobung sind Gentherapien, darunter die Übertragung von Genen für Wachstumsfaktoren wie TGF-ß1 in mesenchymale Stammzellen, die dadurch zur Differenzierung in hyaline Knorpelzellen angeregt werden sollen. Auch werden Genfähren entwickelt, um Gene in Chondrozyten einzuschleusen und damit die Bildung von Kollagen Typ II, dem Hauptbestandteil hyalinen Knorpels anzukurbeln.

Alle Verfahren beruhen auf der Vermehrung von Knorpelzellen.

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