Röntgen oder nicht?

Ellbogen-Strecktest schließt Fraktur nicht aus

Steckt hinter der Ellbogenverletzung eine Fraktur? Der beliebte Strecktest ist in diesem Punkt möglicherweise weniger verlässlich als bisher angenommen. Dies legen die Ergebnisse einer prospektiven Studie aus den Niederlanden nahe.

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Steckt hinter dieser Ellbogenverletzung eine Fraktur?

Steckt hinter dieser Ellbogenverletzung eine Fraktur?

© Klaus Rose

Nieuwegein. Röntgen oder nicht röntgen: Beim akuten Ellbogentrauma ist das oft eine schwierige Frage; schließlich könnte neben äußeren Blessuren immer auch eine Fraktur vorliegen.

In dieser Situation wird vielfach der sogenannte Strecktest propagiert. Als auffälliger Befund gilt, wenn der verletzte Arm sich nicht vollständig durchstrecken lässt.

Frühere Studien hatten dem Test eine relativ hohe Sensitivität bescheinigt. Wie die Notfallmediziner um Kim E. Jie aus dem St. Antonius Hospital in Nieuwegein südlich von Utrecht bemängeln, waren diese Studien jedoch überwiegend klein oder hatten Patienten berücksichtigt, die nicht geröntgt worden waren. Dies schränke ihre Aussagekraft ein.

587 Patienten mit frischem Ellbogentrauma untersucht

Die niederländischen Forscher schlossen in ihre prospektive Studie 587 Patienten mit frischem Ellbogentrauma (weniger als 72 Stunden zurückliegend) ein, darunter 233 Kinder (Ann Emerg Med 2014; online 19. Februar).

Alle Patienten wurden analgesiert, danach führte man den Strecktest durch, gefolgt von einer Druckschmerzprüfung über Olekranon, Epikondylen und Radiuskopf. Daran schloss sich - ebenfalls bei allen Patienten - eine Röntgenaufnahme an (anterior-posterior und lateral), um mögliche Frakturen oder ein positives Fettpolsterzeichen zu erkennen.

Im Röntgen wurden bei 39 Prozent aller Patienten Frakturen diagnostiziert, isolierte Fettpolster zeigten sich bei 19 Prozent. Wie die Forscher berichten, schnitt der Extensionstest als Diagnostik-Tool mit einer Sensitivität von 88 Prozent und einer Spezifität von 55 Prozent überraschend schlecht ab.

Bei den Patienten mit normalem Strecktest (30 Prozent) lag in 12 Prozent ein Knochenbruch vor; dabei handelte es sich meist um eine nicht dislozierte Radiuskopffraktur. Knapp 3 Prozent der Frakturen waren operationsbedürftig.

77 Prozent der Patienten mit normaler Extension hatten ein unauffälliges Röntgenbild, das Fettpolster war in 11 Prozent zu sehen. Bei den 413 Patienten mit positivem Befund im Strecktest war das Röntgenbild in 27 Prozent der Fälle unauffällig.

Ohne Röntgen bei jedem 10. Patienten Fraktur übersehen

Das Hinzunehmen der Druckschmerzprüfung verbesserte die Sensitivität auf 98 Prozent, allerdings lag man mit beiden Tests zusammen nur in 11 Prozent richtig, wenn es darum ging, eine Fraktur auszuschließen.

Die klinische Aussagekraft des Fettpolsterzeichens ist umstritten. Die Autoren hatten daher noch eine zweite Analyse durchgeführt, in der dieses als klinisch irrelevant eingestuft wurde. Hier blieb die Sensitivität bei 98 Prozent, die Spezifität sank jedoch auf 8 Prozent.

Bei Verzicht aufs Röntgen hätte man bei gut jedem zehnten Patienten eine Fraktur übersehen, betonen Jie und Kollegen. Dieser Anteil verpasster Diagnosen sei viel höher als in früheren Studien, die Raten von maximal 6,7 Prozent ergeben hätten.

Andererseits waren nur bei 24 Patienten sowohl Strecktest als auch Druckschmerztest normal, das heißt nur diesen hätte man das Röntgen schlussendlich erspart.

Die Möglichkeit, dass die routinemäßig durchgeführte Analgesie die Ergebnisse verfälscht haben könnte, schließen die Autoren aus. Die Rate vollständiger Extensionen sei in ihrer Studie nicht höher gewesen als in anderen Studien, in denen die Patienten keine Schmerzbehandlung erhalten hätten.

"Um signifikante Befunde nach Ellbogentrauma auszuschließen, ist der Ellbogenstrecktest ungeeignet", so das Fazit der Autoren. Bei der Entscheidung, ob man den Patienten zum Röntgen schicken soll oder nicht, helfe dieses Instrument jedenfalls nicht weiter. (EO)

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