Alzheimer im Theater - "Die Akte der Auguste D."

Veröffentlicht:

Von Thomas Meißner

FRANKFURT. So wie am 25. November 1901 die stationäre Einweisung der Auguste Deter in die "Städtische Heilanstalt für Irre und Epileptische" in Frankfurt am Main für Assistenzarzt Dr. Alois Alzheimer ein einschneidender Wendepunkt in seinem Leben war, so dürfte 95 Jahre später für Professor Konrad Maurer der Fund der "Aerztlichen Acten" dieser Patientin ein einmaliges Erlebnis gewesen sein. Maurer, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Frankfurt, und seine Frau Ulrike Maurer haben ein Theaterstück daraus gemacht, welches jetzt erstmals im Schauspiel der Main-Metropole aufgeführt worden ist.

Die Autoren haben es geschafft, in dem Stück vier Aspekte der Geschichte um Alzheimer und Deter geschickt miteinander zu verweben. So wird anhand des weltweit ersten beschriebenen Falles der Alzheimer-Krankheit diese nicht nur in allen Facetten beleuchtet. Die Zuschauer werfen zugleich einen Blick auf die Person Alzheimers, seine Menschlichkeit und seinen Humor.

Darüber hinaus werden der Zustand der Psychiatrie im Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts skizziert und die Faszination vermittelt, die von den Neurowissenschaften ausgeht.

Das Würzburger Ensemble unter der Regie von Mathias Repiscus und mit Jutta Eckhardt und Stefan Born in den Hauptrollen füllt die trocken-klinischen, teilweise authentischen Dialoge zwischen Alzheimer und seiner Patienten mit Leben: "Wie heißen Sie?" "Welches Datum haben wir heute?" "Was ist das für ein Gegenstand?" - Eckhardt arbeitet subtil den Unterschied zwischen Wahn und Demenz heraus, auch wenn die Angst vor dem zunehmenden Gedächtnisverlust wahnsinnig macht. Eine Angst und Verzweiflung, die emotional nachvollzogen werden kann, besonders angesichts ab und zu auftretender heller Momente und Sätzen wie: "Ich habe mich sozusagen verloren."

Born überzeugt in der Rolle des Dr. Alzheimer, der einerseits den Patienten menschlich zugewandt ist, etwa Narkotika und Fixierung zur Ruhigstellung erregter Patienten ablehnt, andererseits seine wissenschaftliche Karriere fest im Blick hat und den Freuden des Lebens nicht abgeneigt ist.

Die raschen Szenenwechsel machen das Stück sehr abwechslungsreich. Gerade gesehene Symptome der Demenz reflektiert Alzheimer in seinen Gesprächen mit dem Kollegen Dr. Adolf Friedlaender (Manfred Beierl), ohne dabei schulmeisterlich zu wirken. Und es darf immer wieder gelacht werden. Das Ensemble versteht es, Pointen zu setzen, etwa wenn sich Emil Kraepelin (Peter Baumann) in einem Spottgedicht über die Psychoanalytiker lustig macht. Da werden auch mal Verse aus dem Struwwelpeter zitiert (Heinrich Hoffmann hatte 1864 die Frankfurter "Heilanstalt für Irre" eingeweiht), oder Alzheimer legt ein Tänzchen aufs Parkett - zur Beruhigung der Patienten selbstverständlich.

In der letzten Szene wird sogar noch der Bogen in die Gegenwart geschlagen und das Publikum direkt angesprochen: Die Ärztin macht einen Demenz-Test bei einem Pianisten mittleren Alters. Nach einer Weile soll er drei zu Beginn der Anamnese genannte Worte noch einmal wiederholen. Er kann es nicht. Und im Publikum des Schauspielhauses Frankfurt macht sich Unruhe breit: Welche drei Worte waren das gleich?



Biographie, Hörspiel, Bühnenstück

Professor Konrad Maurer war 1995 im Keller der Psychiatrischen Uniklinik in Frankfurt am Main mehr oder weniger zufällig auf die Krankenakte von Auguste Deter gestoßen, der ersten dokumentierten Patientin mit Alzheimer-Demenz. Dies war der Anstoß für die erste Biographie über Alois Alzheimer, die Konrad Maurer und seine Frau Ulrike gemeinsam verfaßt haben. Sie ist jetzt auch als Taschenbuch beim Piper-Verlag erhältlich (ISBN 3-492-04061-6).

Nach dem großen Erfolg eines WDR-Hörspiels der Maurers Ende der 90er Jahre entstand schließlich eine Bühnenfassung unter Mitarbeit von Ulrike Hofmann. Ulrike Maurer leitet außerdem das Geburtshaus von Alzheimer in Marktbreit bei Würzburg. Informationen zu Veranstaltungen und Führungen gibt die Tourist-Information Marktbreit, Telefon und Fax: 09332/40544, e-Mail: touristinfo@marktbreit.de

Mehr zum Thema

Kommentar

Alarmstufe rot in der Notaufnahme

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer