Mercy Ships - nicht nur ein Segen für Kranke

Wenn die MS Africa Mercy vor Anker liegt, strömen Tausende herbei, die Hilfe suchen. Aber auch die Helfer wissen den Einsatz an Bord zu schätzen.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

"Das einzige Starbucks in ganz Afrika gibt es dort." Als er das sagt, wirkt Dr. Fotios Kefalianakis selbst ein wenig verblüfft. Aber das Schiff, von dem er, der Chefarzt für Anästhesie aus der Nähe von Stuttgart, redet, bietet noch viel mehr Eigenheiten. Die wohl wichtigste: Es ist ein schwimmendes Krankenhaus, und zwar das größte der Welt. Die 152 Meter lange "MS Africa Mercy" ist eine richtige kleine Klinik: Knapp 90 Patienten finden dort Platz, rund 7000 können in einem Jahr an Bord behandelt werden. In sechs Operationssälen wird gleichzeitig operiert, mit modernster Technik, wie man sie aus hiesigen Breiten kennt.

Die "MS Africa Mercy" steht im Dienst der christlichen Hilfsorganisation "Mercy Ships". Seit 1978 betreibt die in Lausanne gegründete Organisation Krankenhausschiffe. Die "MS Africa Mercy" ist das neueste Mitglied in der karitativen Klinikkette. Sie kreuzt vornehmlich vor der Westküste Afrikas. An Häfen von unterversorgten Regionen, wie Benin, Ghana oder Liberia, macht sie für knapp ein Jahr fest. Dann strömen Tausende Menschen zu dem Schiff. Dort hoffen sie auf eine ärztliche Behandlung, die ihnen ansonsten verwehrt bleibt.

Fast 450 Menschen arbeiten an Bord der "MS Africa Mercy", fast alle ehrenamtlich. Seite an Seite gesellen sich Physiotherapeuten und Maschinisten, Matrosen und medizinisch-technische Assistenten, Lehrer und die gut 25 Ärzte. Sie alle vereint ein Ziel: Sie wollen den Menschen eine medizinische Versorgung geben, wie sie etwa für einen Europäer zum Alltag gehört.

Dr. Fotios Kefalianakis ist einer von ihnen. Der Vater von vier Kindern kam im Herbst 2008 das erste Mal an Bord. Eine Kollegin erzählte ihm von der "MS Africa Mercy". Kefalianakis war sofort begeistert. Er bewarb sich und wurde genommen. Er nahm seinen Jahresurlaub und im September ging es schließlich für vier Wochen auf die "Africa Mercy". Dieser erste Einsatz, so sagt er, habe ihn herausgefordert und sehr bewegt. Und ohne lange nachzudenken ergänzt er: "Ich will wieder hin." Auch seine Frau unterstützt seinen Einsatz für Mercy Ships. Für Kefalianakis war der Einsatz an Bord ein Segen, sagt er. Für ihn sei es ein "überwältigendes Gefühl" gewesen, den Menschen helfen zu können. So berichtet er von einer jungen Patientin, die an einem Noma-Tumor litt. Wegen ihres dramatisch geschwollenen Unterkiefers wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Die Ärzte konnten den Tumor entfernen und sie von einer furchtbaren Entstellung befreien. Denn entstellte Menschen, sagt Kefalianakis, werden in Afrika schnell aus der Gemeinschaft ausgestoßen.

Was für die Menschen vor Ort ein Segen ist, ist für die Ärzte häufig Routine. Dank großzügiger Spenden fehlt es an Bord beinahe an nichts. "Sogar Kleinkinder können wir intubieren", berichtet Kefalianakis.

Dr. Annette Frick, wie Kefalianakis Anästhesistin, bringt es so auf den Punkt: "Dort haben wir CT, Röntgen, einfach alles." Und in besonderen Fällen sind die Ärzte an Bord erfindungsreich: "Die Crew ist die Blutbank", sagt sie. Sobald Blut benötigt werde, werde es bei passenden Spendern abgezapft.

Frick engagiert sich bereits seit vier Jahren für die Mercy Ships. Zu-letzt war sie im Frühjahr vier Wo-chen an Bord der "MS Africa Mer-cy". Um aber überhaupt an Bord zu kommen, müsse man aber erst ein Auswahlverfahren durchlaufen. "Da kann nicht jeder kommen und Pfusch machen." Kost und Logis müsse außerdem selbst bezahlt werden. Für einen Monat fallen etwa 500 Euro Crewgebühr an. Dazu kommen noch die Kosten für den Flug. Für Frick ist "das quasi wie Urlaub."

Über 40 000 Operationen an Bord in knapp 30 Jahren

Im Jahr 1978 in Lausanne gegrün-det, ist Mercy Ships mittlerweile ein weltweit operierendes Hilfswerk. Seit ihrem Bestehen hat sich die Organisation in 60 Entwicklungsländern engagiert. Unter anderem mit über 40 000 Operationen an Bord der Schiffe. Außerdem wurden mehr als 360 000 Patienten in Dorfkliniken behandelt.

Typische Behandlungen sind etwa der Verschluss von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, die Entfernung von Blasen-Scheiden-Fisteln und Tumoren, Kataraktoperationen, orthopädische Rekonstruktionen und Gesichtschirurgie. Neben der medizinischen Behandlung setzt das Hilfswerk auch auf die medizinische Aufklärung der Bevölkerung und auf die Fortbildung einheimischen Personals.

Spendenkonto: Raiffeisenbank Singoldtal, Bankleitzahl: 70169413, Konto: 915440. www.mercyships.de

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