Medizinhistorisches Museum
Von Seeleuten, Syphilis und Sektionstischen
Mit dem neuen Medizinhistorischen Museum in Hamburg zurück ins Jahr 1882: Ärzte in der Hafenstadt kämpften mit miesen Hygienebedingungen und Seefahrerkrankheiten.
Veröffentlicht:HAMBURG. "Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Krankheitskeim angetroffen wie im sogenannten Gängeviertel."
Als Robert Koch dies 1892 schrieb, war das Hamburger Gängeviertel Heimat für zahlreiche Familien, deren Mitglieder sich als Fabrik- oder Hafenarbeiter mit kargem Lohn keine besseren hygienischen Verhältnisse leisten konnten.
Ohne Kanalisation, bei schlechtem Licht und auf engstem Raum lebten die Menschen dort um die Jahrhundertwende.
Unter dem Stichwort "Krankheit und Stadt" erfahren Besucher des kürzlich eröffneten Medizinhistorischen Museums am UKE unter anderem, welche Krankheiten sich warum speziell in Hamburg ausbreiteten.
Die hygienischen Verhältnisse im Gängeviertel sind nur eines von vielen Themen, die im denkmalgeschützten Fritz-Schumacher-Haus behandelt werden.
Auf rund 1000 Quadratmetern sind 600 Exponate zu sehen. Viele davon wurden von Hamburger Ärzten, aber auch von Privatleuten beigesteuert.
Sammlung geht unter die Haut
Die Dauerausstellung "Die Geburt der modernen Medizin" zeigt den Besuchern, welche wissenschaftlichen Methoden das Fundament für die moderne Medizin gelegt haben, mit welchen Apparaten Mediziner damals gearbeitet haben und vor welchen medizinischen Herausforderungen speziell Hamburg und sein Krankenhaus damals standen.
Dazu gehörten natürlich auch die Krankheiten der Seeleute - jeder dritte ins Krankenhaus eingelieferte Matrose litt damals an einer sexuell übertragbaren Krankheit. Zu den Exponaten zählen ausgewählte Moulagen aus einer Sammlung, die mit rund 600 Exponaten eine der umfangreichsten im deutschsprachigen Raum ist.
Die Wachsnachbildungen von Krankheitszeichen auf der Haut wurden für wissenschaftliche Präsentationen und im Unterricht für Studierende genutzt, weil die Farbwiedergabe der Fotografie zu verfremdend für Darstellungen der Dermatologie war.
Die rund 50 gezeigten Moulagen dokumentieren, wie die Syphilis zwischen 1880 und 1950 dargestellt und therapiert wurde.
Größtes Exponat zeigt Kulturwandel
Einer der Höhepunkte des neuen Museums ist ohne Zweifel der 1926 eingeweihte Sektionssaal mit seinen Originaltischen.
Der Raum unterstreicht die Aussage des Direktors des UKE-Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Professor Heinz-Peter Schmiedebach: "Ästhetik ist weniger ansehnlichen Funktionalismen gewichen." Dieser Kulturwandel in der Medizin wird nirgends deutlicher als in diesem lichtdurchfluteten Raum, der als größtes Exponat wirkt.
Um das neue Museum haben die Verantwortlichen in Hamburg schwer gerungen. Zum einen, weil auf dem UKE-Gelände jeder Quadratmeter begehrt ist.
Zum anderen, weil das Geld dafür mühsam eingeworben werden musste. Der Freundes- und Förderkreis des UKE hat rund zwei Millionen Euro gesammelt, um das denkmalgeschützte Haus wiederherzustellen und die Nutzung als Museum zu ermöglichen.
"Das Museum ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis harter Arbeit", fasste Dekan und UKE-Vorstandsmitglied Professor Uwe Koch-Gromus den Weg dahin zusammen.
Die Anstrengung aber hat sich nach seiner Auffassung gelohnt, denn: "Die moderne Medizin, die sich an High-Tech orientiert, braucht auch Zonen der Reflexion."
Mitarbeiter und Studierende, aber auch Patienten und die breite Öffentlichkeit sollen mit der an vier Tagen pro Woche geöffneten Dauerausstellung angesprochen werden. Öffentliche Führungen gibt es jeden Freitag.