IM GESPRÄCH

Der Fall Lance Armstrong - der größte Dopingskandal aller Zeiten?

Von Pete Smith Veröffentlicht:

Der Fall Armstrong könnte sich zum größten und nachhaltigsten Dopingskandal aller Zeiten auswachsen. Das hat nicht allein darin seinen Grund, daß diesmal einer der erfolgreichsten Sportler der Welt im Zentrum der Anschuldigungen steht. Auch die Tatsache, daß jahrealte Urinproben zum Nachweis eines Mißbrauchs verwendet und das Ergebnis - erstmals - veröffentlicht wurde, könnte richtungsweisend für die Zukunft sein.

Was ist geschehen?

1999 wurden im Zuge der damaligen Tour de France zu wissenschaftlichen Zwecken Urinproben von den Radprofis genommen und eingefroren. Ein Nachweisverfahren für Erythropoetin gab es damals noch nicht, das erste wurde erst im Jahr 2000 entwickelt (wir berichteten).

Im vergangenen Jahr haben französische Wissenschaftler vom Doping-Labor Chatenay-Malabris bei Paris - um die Nachweismethoden für EPO zu verbessern - die Proben von 1999 analysiert. Das Ergebnis: Viele Proben weisen Spuren von EPO auf. Die französische Sportzeitung "L’Equipe" hat nach viermonatigen Recherchen nun eigenen Aussagen zufolge herausgefunden, daß sechs der mit Erythropoetin belasteten - anonymisierten - Urinproben zweifelsfrei Lance Armstrong zuzuordnen seien.

Armstrong, der nach seinem siebenten Tour-Erfolg erst kürzlich seinen Rücktritt vom Profi-Radsport erklärt hat, wehrt sich gegen die Vorwürfe und spricht von einer "Hexenjagd" und von "Skandaljournalismus".

Erythropoetin ist erst seit 1989 auf dem Markt

Rekombinantes Erythropoetin (EPO) wurde erst in den 1980er Jahren entwickelt. Das erste EPO-Präparat brachte das US-Unternehmen Amgen 1989 auf den Markt. Insider unkten schon damals, daß EPO, noch bevor es jene Patienten erreichte, für die es eigentlich bestimmt ist (vor allem solche mit Anämie), schon in der Radsportszene kursierte.

Wie weit das Präparat unter Berufsradfahrern verbreitet ist, wurde spätestens bei der Tour de France 1998 offenbar, als der Masseur des Teams Festina mit Hunderten von EPO-Ampullen beim Grenzübertritt nach Frankreich erwischt wurde, was den bis dahin größten Tour-Skandal heraufbeschwor und Ermittlungen durch die französische Justiz nach sich zog.

Auch Lance Armstrong, der das härteste Radrennen der Welt wie kein anderer vor ihm dominiert und die letzten sieben Frankreich-Rundfahrten für sich entschieden hat, stand schon oft im Mittelpunkt von Dopingverdächtigungen. Dazu trug vor allem bei, daß der heute 33jährige US-Amerikaner lange Zeit von dem wegen Sportbetrugs verurteilten italienischen Sportarzt Professor Michele Ferrari betreut wurde, der aufgrund seiner nachgewiesenen Weitergabe von EPO an Sportler eine der Schlüsselfiguren der italienischen Anti-Doping-Ermittlungen war.

Erst im vergangenen Jahr hatte eine ehemalige Masseurin des US-Postal-Teams, in dessen Diensten Armstrong Jahre lang gefahren war, ihren damaligen Schützling des EPO-Dopings bezichtigt, und 2000/2001 ermittelte die französische Justiz gegen den US-Profi.

Nachgewiesen worden ist ihm jedoch bis heute nur ein einziger Verstoß: 1999 enthielt eine Dopingprobe Armstrongs Spuren von Kortison. Damals konnte er nachweisen, daß er eine kortikoidhaltige Salbe gegen Sitzbeschwerden einsetzte. Nach den vorliegenden Befunden dürfte ihm eine nachvollziehbare Erklärung diesmal schwer fallen.



STICHWORT

Blutdoping

Im Profisport nutzen vor allem Ausdauerathleten das Glykoproteinhormon Erythropoetin (EPO) zur Leistungsmanipulation. Da EPO die Sauerstofftransportkapazität erhöht, profitieren vor allem Radfahrer, Langstreckenläufer, Triathleten und Skilangläufer von den Vorzügen des Peptidhormons. Auch Nachfolgeprodukte von EPO wie etwa NESP oder Dynepo kursieren im Sport.

Blutdoping steht zwar schon seit mehr als zehn Jahren auf der Doping-Verbotsliste, ein zugelassenes Testverfahren auf Erythropoetin gibt es jedoch erst seit 2000. Erst kürzlich haben australische Forscher einen neuen EPO-Test vorgestellt, der auch geringfügige Dosen im Körper der Athleten nachweisen kann.

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