Allheilmittel flexiblere Bedarfsplanung?

KVNo-Vorstandmitglied Bernhard Brautmeier ist skeptisch und meldet massive Zweifel an.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. Die geplante Abkehr von der Bedarfsplanung heutiger Prägung ist zwar zu begrüßen, man darf aber nicht zu viel von ihr erwarten. Für das zentrale Problem des Ärztemangels bietet sie keine Lösung, sagte Bernhard Brautmeier, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, auf dem 9. Rheinischen Kongress für Versorgungsforschung in Düsseldorf.

"Wir können mit einem immer kleinräumigeren Planungsrecht mühelos eine hohe Zahl an Arztsitzen in der Fläche generieren, die dann eines gemeinsam haben: Nämlich dass wir sie auf Jahre hinaus nicht mit real existierenden Ärzten besetzen können."

Drohende Beliebigkeit durch höhere Flexibilität, warnt Brautmeier

Brautmeier warnte vor einer drohenden Beliebigkeit durch die höhere Flexibilität im Planungsrecht. Das gelte insbesondere für die regionalen Besonderheiten, die ein Abweichen von den Bedarfsplanungs-Kriterien ermöglichen.

"Dieses Instrument könnte ein Türöffner sein, um nahezu jeden von Kommunalpolitikern und Bürgern gewünschten Praxisstandort planungsrechtlich irgendwie zu begründen." Handfeste Enttäuschungen vor Ort und die Zunahme einer gefühlten Unterversorgung wären damit programmiert, sagte er. "Denn schon heute können offene Sitze an den weniger attraktiven Standorten nicht mehr nachbesetzt werden."

Politiker, die über fehlende Praxen in der Fläche oder in der Peripherie der Städte klagen, vergessen nach Ansicht Brautmeiers, dass sie selbst zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Schließlich habe die Liberalisierung des ärztlichen Berufsrechts und des Vertragsarztrechts neue Kooperationsformen wie die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) möglich gemacht.

Gerade die MVZ hätten den Trend zur räumlichen Verdichtung der Versorgung in den vergangenen Jahren maßgeblich bewirkt und beschleunigt. Neben problematischen Aspekten gebe es gute Gründe für eine positive Bewertung der neuen Kooperationsformen, betonte er.

Man kann nicht alles haben

"Aber man kann nicht alles haben: eine hoch entwickelte, differenzierte, kooperative und sogar integrierte ambulante Versorgung, und all das vor der Haustür, flächendeckend - auch im Kreis Wesel oder etwa in der westlichen Eifel."

Es sei positiv, dass der Gesetzgeber sich für die Sicherung und Verbesserung der ärztlichen Versorgung in Flächenregionen einsetze, sagte der Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein Bernd Zimmer. "Was im Gesetzentwurf leider nicht erkennbar ist, sind Pläne zur Behebung des Ärztemangels."

Der geplante von Ärzten und Krankenkassen zu tragende Strukturfonds zur Förderung von Neuniederlassungen in unterversorgten Gebieten wird nach Einschätzung von Günter van Aalst, Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der Techniker Krankenkasse, allerdings kaum zur Lösung der Probleme beitragen.

"Er wird mit bürokratischem Aufwand und Diskussionen über die gerechte Mittelverwendung verbunden sein."

Für sinnvoller zur Verhinderung von Unterversorgung hält van Aalst ökonomische Anreize wie Punktwerterhöhungen und den Verzicht auf die Deckelung. "Preiszuschläge können ein wirksamer Anreiz sein." Auch hier erwartet er aber Kontroversen: über die Bedingungen für die Gewährung der Zuschläge und die Definition des Bedarfs.

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