Preisverantwortung bei Medikamenten geht auf Kassen über

Union und FDP verteidigen ihr Arzneisparpaket gegen Kritik von Seiten der Industrie. Die Hersteller sollten nicht "undifferenziert nörgeln". Auch Ärzten biete die neue Preisbildung für neue Präparate viele Vorteile.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

BERLIN. Union und FDP haben die von der Koalition vorgelegten Eckpunkte für eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes gegen Kritik von Pharmaverbänden und Krankenkassen verteidigt. "Wir kombinieren kurzfristige Sparmaßnahmen mit langfristigen Veränderungen. Diese beinhalten im Kern Vertragsverhandlungen - also eine wettbewerbliche Ordnung", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, der "Ärzte Zeitung".

Wettbewerb um jeden Preis: Die Koalitionsfraktionen betonen die Chancen der geplanten Verhandlungslösungen bei innovativen Präparaten. © Steinach / imago

Wettbewerb um jeden Preis: Die Koalitionsfraktionen betonen die Chancen der geplanten Verhandlungslösungen bei innovativen Präparaten. © Steinach / imago

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Die Pharmaunternehmen sollten die "Herausforderung" der Preisverhandlungen mit den Kassen "annehmen, anstatt wieder undifferenziert zu nörgeln", mahnte Spahn. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, übliche Politik früherer Regierungen sei es gewesen, zu Beginn einer Legislaturperiode ein kurzfristiges Kostendämpfungsgesetz vorzulegen. "Das haben wir nicht gemacht", betonte Bahr.

Zwar greife die Koalition auch auf Instrumente wie Preismoratorium und Abschlagszahlungen zurück. "Aber da bleiben wir nicht stehen, im Gegenteil. Wir gehen strukturell an das heran, was bislang nicht angepackt wurde: Wie bekommen wir eine faire Preisbildung bei neuen Arzneimitteln hin?" Dieses Ziel lasse sich am besten über den Verhandlungsweg zwischen Kassen und Pharmaherstellern erreichen.

Das bringe auch aus Sicht der niedergelassenen Ärzte Vorteile, betonte Bahr. "Die Preisverantwortung geht weg vom Arzt hin zur Verhandlung zwischen Kassen und Unternehmen." Regresse, die oft auf "intransparente Preise und undurchschaubare Rabattverträge der Kassen" zurückzuführen seien, müssten von den Ärzten nicht mehr gefürchtet werden.

Der Arzt sei dann nur noch für Indikations- stellung, Wirkstoffverordnung und Wirkstoffmenge zuständig.

Vertreter der Pharmaindustrie hatten Union und FDP zuvor vorgeworfen, sich mit ihren Plänen für einen Umbau des Arzneimittelmarktes nicht an die Buchstaben des Koalitionsvertrages zu halten (wir berichteten). Angekündigt worden sei eine "wettbewerbliche Ordnung" am Arzneimarkt, jetzt drohten den Herstellern Zwangsmaßnahmen und "bürokratische Komplexität".

Bahr wies den Vorwurf zurück. Am Ende gebe es nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb im Arzneimittelmarkt. "Es kann nicht von Wettbewerb die Rede sein, wenn Unternehmen selbst den Preis bestimmen. Das ist kein Wettbewerb, sondern ein Preisdiktat einer Seite."

Ziel der Regierung sei es sicherzustellen, dass innovative Medikamente auch in Zukunft "schnell in die Versorgung kommen", sagte Bahr. "Aber das kann kein Freifahrtschein für die Pharmaindustrie sein, selbst die Preise zu bestimmen und damit die Kosten nach oben zu treiben. Deswegen wollen wir Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern."

Mehr Wettbewerb werde es auch bei Rabattverträgen geben, kündigte Bahr an: "Hier sorgen wir für Wettbewerb, denn die AOKen, die bislang über ihren großen Versichertenanteil eine starke Stellung in den Verhandlungen mit Generikaherstellern gehabt haben, müssen sich künftig genauso dem Wettbewerbs- und Kartellrecht voll unterwerfen, wie dies die Pharmaunternehmen auch tun mussten."

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